Wildfleisch und Covid-19

Kategorien: Ausgabe 63, Krankheiten, Mensch & Gorilla, Nigeria

"Affe" war besonders beliebt auf den Märkten, die Tengwood in Nigeria besuchte. Einige Händler kannten die Gesetze und versteckten bedrohte Arten unter dem Tisch, andere boten sie offen an. Am häufigsten waren langschwänzige Affen, aber auch Pottos, Paviane, Drills, Schimpansen. (© Tengwood Organization)

Viren machen ihren Wirt krank, töten ihn aber nicht unbedingt. Viele Tierarten haben sich über lange Zeit gemeinsam mit Viren entwickelt. Wenn diese Viren eine andere Art infizieren, können sie beim neuen Wirt viel heftigere Symptome hervorrufen - wie Covid-19 beim Menschen.

Dass die Menschen ihren Eiweißbedarf durch den Verzehr von Wildtieren decken, war weltweit lange üblich. Heute gelten vielerorts strenge Vorschriften, die die Jagd regulieren, damit die Populationen nicht leiden. In der EU ist außerdem die unkontrollierte Einfuhr von Fleisch aus Drittländern verboten, damit keine Krankheiten eingeschleppt werden (etwa Milzbrand und Tuberkulose). In vielen weniger entwickelten Ländern werden keine solchen Maßnahmen ergriffen bzw. nicht wirksam durchgesetzt.

In West- und Zentralafrika wird Fleisch auf Märkten mit niedrigen Hygienestandards verkauft, und es finden kaum Kontrollen statt. Solche Märkte existieren auch in Asien, wo man den Ursprung von Covid-19 vermutet. Häufig werden dort Tiere geschlachtet und ihr Fleisch wird zum Kauf angeboten. Weil die Menschen dabei mit dem Blut in Berührung kommen, können Viren überspringen. Bei der Schweinegrippe, der Vogelgrippe, SARS, MERS und Ebola nimmt man an, dass sie sich auf diese Weise verbreitet haben.

Durch die weltweite Einschränkung der Bewegungsfreiheit aufgrund der Covid-Pandemie ist der Tourismus in Afrika stark zurückgegangen; das hat z. B. in Kenia, wo er eine wichtige Einnahmequelle darstellt, zu gravierenden Einkommensverlusten geführt. Infolgedessen nahm die Wilderei zu, und die wirtschaftlichen Einbrüche fördern den illegalen Handel mit Wildtieren und Wildtierprodukten.

Auch in Nigeria, wo der Tourismus keine große Rolle spielt, hat Covid-19 erhebliche wirtschaftliche Auswirkungen: Märkte mussten ihre Öffnungstage reduzieren und die Lebensmittelpreise stiegen. Menschen, die in der Nähe von Waldgebieten leben, versorgen sich nun vermehrt durch Jagd.

Der Ebola-Ausbruch in Westafrika 2014 ist ein gutes Beispiel dafür, was nach Beendigung der Covid-Maßnahmen passieren könnte. Damals wurde der Verkauf von Wildfleisch (Bushmeat) teilweise verboten. Doch danach erreichte der Handel wieder den gleichen Umfang wie zuvor. Es ist davon auszugehen, dass dies auch nach Aufhebung der Covid-Beschränkungen der Fall sein wird.

Die Tengwood Organization befragte zwischen 2016 und 2018 in Nigeria 73 Wildfleisch-Händler auf 19 städtischen und ländlichen Märkten. Für 94 % von ihnen sicherte der Verkauf dieses Fleisches das Familieneinkommen. Sie sagten, ebenso wie ihre Kunden, es gäbe in den Wäldern genug Tiere, und 80 % hielten Wildfleisch für schmackhafter und gesünder als Nutztierfleisch. Neue Befragungen während der Covid-Pandemie ergaben, dass sich an dieser Einstellung nichts geändert hat.

Die Waldregion Cross-Sanaga in Nigeria und Kamerun bildet den Hauptlebensraum dreier stark bedrohter Primaten: Cross-River-Gorilla, Nigeria-Kamerun-Schimpanse und Drill. Wie wirkt sich die Pandemie auf die Schutzmaßnahmen aus? Naturschutzorganisationen haben durch die schlechte wirtschaftliche Lage und die Reiserestriktionen Schwierigkeiten, ihre Arbeit zu finanzieren und durchzuführen.

Es steht zu befürchten, dass auch wildlebende Gorillas erkranken können. Westliche Flachlandgorillas wurden bereits in mehreren Zoos (San Diego, Prag, Atlanta) mit Covid-19 infiziert, vermutlich haben Pfleger die Viren übertragen.

Zu Beginn der Lockdowns glaubten viele, die Maßnahmen würden sich für Wildtiere positiv auswirken, weil der Mensch als Störfaktor in ihren Lebensräumen wegfalle. Doch im weiteren Verlauf der Pandemie zeigte sich, dass die Wildtiere womöglich stärker gefährdet sind als zuvor, weil die Menschen versuchen, ihre wirtschaftlichen Nöte durch Wildfleisch auszugleichen. Das Thema "Wildfleisch-Konsum" ist also keineswegs vom Tisch, sondern wird spätestens mit der Rückkehr zur Normalität wieder akut - obwohl gerade hier der "Kern des Problems" liegt.

Eine Tengwood-Studie von 2012 erfasste das auf Schweizer Flughäfen beschlagnahmte Wildfleisch. Ein Großteil davon war geräuchert oder gekocht, bei 36 % aber handelte es sich um Frischfleisch, das für europäische Verbraucher bestimmt war. Derzeit deutet leider viel darauf hin, dass der illegale Handel mit Wildtieren und Wildtierprodukten durch den Rückgang des Flugverkehrs nicht notwendigerweise abgenommen hat.

Kathy L. Wood und Bruno Tenger