Wer hat die Macht bei Gorillas?

Kategorien: Ausgabe 71, Gorillagruppen, Verhalten, Uganda, Bwindi, Berggorillas

Ein Silberrückenmann in Bwindi demonstriert seine Macht. (© Martha Robbins)

Lange Zeit ging man davon aus, dass Männer bei den meisten Säugetieren eine klare Vormachtstellung gegenüber Frauen einnehmen. Jüngste Forschungen stellen diese Annahme jedoch in Frage und legen nahe, dass die Machtverhältnisse* zwischen erwachsenen Frauen und Männern variieren, auf einer Bandbreite zwischen klar männlicher bis hin zu klar weiblicher Vormachtstellung. Wir wollten diese Machtverhältnisse bei Gorillas untersuchen. Männer sind bei ihnen nicht nur viel größer als Frauen und haben viel größere Eckzähne, Gorillas gelten auch allgemein als die Menschenaffen mit der ausgeprägtesten männlichen Vormacht gegenüber Frauen und Silberrückenmänner werden oft als "Archetyp männlicher Macht" unter den Tieren dargestellt. Gleichzeitig wussten wir, dass Frauen eine gewisse Kontrolle oder Macht über Männer haben, da sie zwischen Gruppen wechseln und so effektiv entscheiden können, mit welchem Männern sie sich fortpflanzen möchten.

Wir werteten Verhaltensdaten aus 25 Jahren von vier Berggorilla-Gruppen im Bwindi-Impenetrable-Nationalpark in Uganda aus. Konkret verwendeten wir Vermeidungs- und Verdrängungsinteraktionen, aus denen wir die Macht-/Dominanzverhältnisse ableiteten, ein gängiges Verfahren in Studien über Säugetiere einschließlich Gorillas.

Wir stellten fest, dass Männer im Allgemeinen zwar mehr Macht haben (einen höheren Rang einnehmen) als Frauen und dass der ranghöchste Mann niemals von Frauen übertrumpft wird. Daneben beobachteten wir jedoch, dass Macht nicht ausschließlich durch das Geschlecht bestimmt wird und dass Frauen auch Männer übertrumpfen können. In Gruppen mit mehreren Männern hatten fast alle Frauen mehr Macht als mindestens ein erwachsener Mann (Silberrücken).

Frühere Untersuchungen zu Machtverhältnissen bei Gorillas und anderen Säugetieren konzentrierten sich hauptsächlich auf Kämpfe zwischen Individuen desselben Geschlechts. Dabei wurde davon ausgegangen, dass Männer Frauen "standardmäßig" übertrumpfen und dass Männer und Frauen um unterschiedliche Ressourcen konkurrieren: Männer um Frauen und Frauen um Nahrung. Unsere Studie legt dagegen nahe, dass Frauen und Männer tatsächlich oft direkt um den Zugang zu Ressourcen konkurrieren. Insbesondere bestimmten die Machtverhältnisse zwischen weiblichen und männlichen Gorillas den Zugang zu verrottendem Holz, einer wichtigen Natriumquelle für Gorillas. Wenn eine Frau einen Mann übertrumpfte, hatte sie bei dieser Nahrung immer Vorrang.

Insgesamt deuten unsere Daten darauf hin, dass selbst bei Arten, bei denen die Männer viel größer und stärker sind, die Frauen manchmal die Männer übertrumpfen können und dass Frauen und Männer direkt um ähnliche Ressourcen konkurrieren. Dieses Ergebnis modifiziert unsere Interpretation der Beziehungen zwischen den Geschlechtern - wir sollten uns vor einer zu stark vereinfachten Sicht hüten, die sich ausschließlich an der körperlichen Stärke orientiert und die Komplexität des Sozialverhaltens unterschätzt.

Nikolaos Smit und Martha M. Robbins

*In der Forschung wird zunehmend der Begriff "Macht" (engl.: power) anstelle von "Dominanz" verwendet, da es sich hierbei um einen allgemeineren Begriff handelt, der verschiedene Einflüsse berücksichtigt.

Originalpublikation: 
Smit, N. & Robbins, M. M. (2025): Female mountain gorillas can outrank non-alpha males. Current Biology 35, 1-7