Soziale Eigenschaften und evolutionäre Fitness bei Gorillas
Kategorien: Ausgabe 71, Gorillagruppen, Ökologie, Verhalten, Ruanda, Vulkan-Nationalpark, Berggorillas
Das soziale Umfeld eines Individuums ist stark mit der evolutionären Fitness verknüpft. Bei vielen sozialen Arten stehen die individuellen sozialen Eigenschaften im Zusammenhang mit der evolutionären Fitness, die durch Parameter wie Geburtenraten, Fortpflanzungserfolg oder Langlebigkeit ausgedrückt wird. Viele Studien haben den Einfluss von individuellen sozialen Eigenschaften, beispielsweise die Stärke von sozialen Bindungen, auf Fitness untersucht oder auch, wie bestimmte Gruppenmerkmale, etwa die Gruppengröße, diese beeinflussen. Obwohl beide eine wichtige Rolle spielen, ist das Zusammenwirken dieser beiden Eigenschaften auf die evolutionäre Fitness weitgehend unbekannt.
In einer Studie des Dian Fossey Gorilla Fund in Zusammenarbeit mit den Universtäten von Exeter und Zürich untersuchten Forscher, wie sich individuelle soziale Eigenschaften und Gruppenmerkmale gemeinsam auf die evolutionäre Fitness von Berggorillas auswirkten. Dazu nutzten sie Daten zum Verhalten, zur Verbreitung, zur Demographie und Gesundheit von 164 Berggorillas (73 männlichen und 91 weiblichen) im Vulkan-Nationalpark, Ruanda, über einen Zeitraum von 21 Jahren. Die untersuchten individuellen sozialen Eigenschaften umfassten unter anderem die Stärke und Stabilität der sozialen Bindungen. Als Gruppenmerkmale wurden unter anderem Gruppengröße und Gruppenstabilität untersucht. Als Parameter für die evolutionäre Fitness wurden beispielsweise Verletzungen, Erkrankungen, Geburtenraten sowie Verletzungen und Erkrankungen der Jungtiere herangezogen.
Die Ergebnisse zeigten deutliche geschlechtsspezifische Unterschiede und zum anderen, wie Gruppenmerkmale den Einfluss individueller sozialer Eigenschaften auf die evolutionäre Fitness von Gorillas veränderten. So waren starke und stabile soziale Bindungen bei weiblichen Berggorillasmit geringerenErkrankungsraten verknüpft, bei den männlichen hingegen erhöhten sie die Erkrankungsraten. Dieser Effekt war am deutlichsten in instabilen Gruppen. Gleichzeitig waren starke soziale Bindungen bei Männchen aber mit weniger Verletzungen verbunden. In einer großen Gruppe zu sein, bedeutete bei männlichen Berggorillas weniger Verletzungen, bei weiblichen hingegen nicht, dafür erkrankten diese weniger. Zudem erkrankten Gorillaweibchen mit starken sozialen Bindungen, die in kleinen Gruppen lebten, seltener, brachten aber auch weniger Kinder zur Welt. Die Jungtiere dieser Mütter waren häufiger krank. Weibchen mit starken sozialen Bindungen aus großen Gruppen hatten höhere Erkrankungsraten, aber auch höhere Geburtenraten. Die Jungtiere dieser Mütter zeigten höhere Verletzungsraten.
Wie formt die soziale Umgebung nun das Überleben und die Fortpflanzung von Berggorillas? Die Forscher führen aus, dass das soziale Umfeld das Überleben männlicher Berggorillas stärker beeinflusst als das der weiblichen, dass also der Selektionsdruck, der auf soziales Verhalten wirkt, sich bei den Geschlechtern unterscheidet. Durch die gleichzeitige Betrachtung mehrerer Faktoren zeigt die Studie, dass mehrere Mechanismen, die wiederum geschlechts- und altersspezifisch sind, die Beziehung zwischen Sozialverhalten und Krankheit, Verletzungen sowie Fortpflanzung beeinflussen. Gruppenmerkmale scheinen den Einfluss dieser Mechanismen weiter zu modulieren. Enge soziale Bindungen können sowohl Vorteile als auch Nachteile bringen, was zu einem Kompromiss zwischen Kosten und Nutzen führt. Diese Vor- und Nachteile von Sozialverhalten, so die Forscher, könnten erklären, warum innerhalb einer Art unterschiedliche soziale Verhaltensweisen bestehen bleiben, da je nach Geschlecht, Alter, Vorhandensein von abhängigen Jungtieren oder sozialem Umfeld unterschiedliche Strategien "optimal" sein können.
Originalveröffentlichung:
Morrison, R. E., Ellis, S., Martignac, V., Stoinski, T. S. & Eckardt, W. (2025): Group traits moderate the relationship between individual social traits and fitness in gorillas. PNAS 122 (20), e2421539122
