Signal zum Aufbruch
Kategorien: Ausgabe 70, Verhalten, Sonstige Länder, Westliche Flachlandgorillas
Für in Gruppen lebende Tiere ist der Zusammenhalt überlebenswichtig. Wenn sich die Mitglieder nicht darauf einigen können, wann und wohin sie aufbrechen sollen, kann die Gruppe auseinanderbrechen. Das würde einzelne Tiere gefährden; deshalb einigen sich die Gruppenmitglieder in der Regel vor dem Aufbruch. Der Prozess und die Frage, wer an den Entscheidungen beteiligt ist, hängen jedoch von der jeweiligen Art ab.
Wir wollten verstehen, wie solche Vorgänge bei einer hochintelligenten Art ablaufen, und zwar bei wildlebenden Westlichen Gorillas, die zu unseren nächsten Verwandten gehören. Diese Gorillas leben in stabilen Familiengruppen, die in der Regel von einem dominanten Silberrückenmann geleitet werden und außer ihm mehrere erwachsene Frauen und deren Nachwuchs umfassen. Silberrücken sind etwa doppelt so groß wie erwachsene weibliche Tiere und bieten diesen Schutz. Dies führte zu der Annahme - gestützt durch frühere Beobachtungen an Berggorillas -, dass die Männer Gruppenentscheidungen dominieren, vor allem beim Einleiten von Aufbrüchen.
Wir haben diese Hypothese bei Westlichen Gorillas überprüft, einer Art, die sich stärker von Früchten ernährt als ihre bergbewohnenden Verwandten. Die Früchte sind ungleichmäßig und weit verteilt. Sie zu finden erfordert ein umfangreiches ökologisches Wissen. Um zu verstehen, wie Entscheidungen zur Fortbewegung getroffen werden, haben wir drei an Menschen gewöhnte Gruppen in den Dzanga-Sangha-Schutzgebieten beobachtet.
Unsere Studie ergab, dass diese Entscheidungen typischerweise kollektiv getroffen werden. Dabei sind die meisten oder alle erwachsenen Gruppenmitglieder beteiligt. Das betrifft die Koordination von Zeitpunkt und Richtung der Bewegung. Grunzlaute spielen hier eine entscheidende Rolle. Wir fanden heraus, dass hochrangige Individuen - unabhängig vom Geschlecht - mehr Einfluss auf die Wanderrichtung haben, der Zeitpunkt des Aufbruchs jedoch von jedem Individuum beeinflusst wird, das seine Absicht durch Laute signalisiert.
Trotz des erheblichen Größenunterschieds zwischen den Geschlechtern zeigen unsere Ergebnisse, dass Westliche Gorillas einen konsensbasierten Prozess nutzen, um zu entscheiden, wann und wohin sie sich bewegen.
Lara Nellissen, Terence Fuh, Klaus Zuberbühler und Shelly Masi
Zusammenfassung von
Nellissen, L., Fuh, T., Zuberbühler, K. & Masi, S. (2024): Vocal consensus building for collective departures in wild western gorillas. Proceedings of the Royal Society B 291: 20240597