Vielfalt der Gorillas

Kategorien: Gorilla Journal, Ausgabe 44, Systematik

Westlicher Gorilla im Zoo und Berggorilla in Bwindi

Westlicher Gorilla im Zoo und Berggorilla in Bwindi (© Angela Meder und Uwe Kribus)

Die beiden Gorilla-Arten unterscheiden sich sehr deutlich, aber auch bei den Unterarten - und sogar bei einzelnen Populationen - finden sich auffällige Unterschiede.

Gorilla-Arten und Unterarten nach heutigem Stand:

Westlicher Gorilla (Gorilla gorilla)

    Westlicher Flachlandgorilla (Gorilla gorilla gorilla)

    Cross-River-Gorilla (Gorilla gorilla diehli)

Östlicher Gorilla (Gorilla beringei)

    Grauergorilla (Gorilla beringei graueri)

    Berggorilla (Gorilla beringei beringei)

Taxonomen, die sich mit der systematischen Einordnung von Primaten beschäftigen, vermessen tradi­tionell die Schädel und andere Knochen, um diese Maße zu vergleichen. Heute übernehmen die Auswertung meist Computerprogramme. Daneben spielt die Genetik eine ganz entscheidende Rolle bei der Untersuchung der Verwandtschaftsverhältnisse.

Es ist schwer zu entscheiden, welche körperlichen Merkmale bei der Bestimmung von Arten entscheidend sind. Sehr schwierig ist auch festzustellen, ob ein Merkmal erblich ist oder im Lauf der Entwicklung des Lebewesens durch äußere Einflüsse geprägt wurde. Die Umweltbedingungen, vor allem die Ernährung, spielen eine große Rolle; so nimmt man an, dass die Form des Kiefers bei Gorillas auch durch die Nahrung beeinflusst wird.

Unterschiede zwischen Östlichen und Westlichen Gorillas

Östliche Gorillas haben insgesamt ein dunkleres Fell mit viel Schwarz, Westliche sind wesentlich grauer und oft rotbraun auf dem Kopf. Der Silberrücken ist bei Westlichen Gorillas viel weiter über Hüften und Oberschenkel ausgedehnt. Ein anderer Unterschied ist die Nasenform: Bei Östlichen Gorillas ist die Nase eher schmal, bei Westlichen breit und an der Seite gepolstert.

Arme und Beine sind bei Östlichen Gorillas im Verhältnis zum Rumpf kürzer als bei Westlichen. Beim Schädel gibt es viele deutliche Unterschiede: Er ist bei Östlichen Gorillas länger und schmaler; der Gaumen ist länger, vor allem bei Berggorillas. Auch die Zähne unterscheiden sich auffallend.

Genetisch gesehen ist der Unterschied zwischen den beiden Gorilla-Arten etwa so groß wie der zwischen Schimpansen und Bonobos. Fachleute haben errechnet, dass sich die Arten vor 0,9 bis 1,75 Millionen Jahren getrennt haben, aber dass es bis vor 78 000 Jahren noch Austausch zwischen den Populationen gab.

Östliche Gorillas

Berggorillas sind besonders stämmig und untersetzt, haben ein dichteres, längeres und schwärzeres Fell als Grauergorillas. Bei Grauergorillas sind die Haare am Kopf manchmal bräunlich. Die Nasen der Virunga-Gorillas sind eckig, bei den Grauergorillas und wenigstens einem Teil der Bwindi-Gorillas runder. Bei Berggorillas ist die Oberlippe nur wenig gepolstert, bei Grauergorillas stark.

Der Gesichtsschädel der Berggorillas ist sehr groß und breiter als bei Grauergorillas; der aufsteigende Ast des Unterkiefers ist höher. Verschiedene morphologische Unterschiede lassen sich mit der stärkeren Anpassung der Berggorillas, insbesondere der Virunga-Gorillas, an das Bodenleben erklären.

Genetische Untersuchungen weisen darauf hin, dass Berggorillas und Grauergorillas sich vor 380 000 Jahren getrennt haben. Es gibt deutliche genetische Unterschiede zwischen den Unterarten.

Bei den Virunga-Gorillas beeinflusst die große Höhe der Berge den Körper und die Lebensweise auf vielerlei Art. Die Nahrungspflanzen ändern sich mit der Höhe; ihre Vielfalt nimmt ab, aber die Feuchtigkeit lässt sie ganzjährig üppig wachsen. Da die Nahrungskonkurrenz fehlt, können die Gruppen größer werden als bei anderen Gorillas, und die Jungtiere entwickeln sich in den Virungas besonders schnell.

Die beiden Berggorillapopulationen unterscheiden sich äußerlich ganz deutlich; so ähnelt die Nase der Bwindi-Gorillas eher der von Grauergorillas als der von Virunga-Gorillas. Die Virunga-Gorillas sind etwas größer und haben viel längere, ganz schwarze Haare, auch im Gesicht und an den Brauen, und einen Bart. Virunga-Gorillas haben ausgeprägtere Falten zwischen Augen und Nase und größere Nasen. Bwindi-Gorillas haben längere Gesichter als Virunga-Gorillas und ihre Kiefer unterscheiden sich; das dürfte teilweise auch an der Nahrung liegen.

Die Füße von Bwindi-Gorillas ähneln eher denen von Flachlandgorillas, während die der Virunga-Gorillas menschenähnlicher sind. Bei den Virunga-Gorillas sind die Zehen kürzer und stehen näher zusammen, sie können die große Zehe nicht so weit abspreizen. Auch an den Fußknochen merkt man, dass Virunga-Gorillas stärker an das Bodenleben angepasst sind. Genetisch sind die beiden Populationen praktisch nicht zu unterscheiden. Vermutlich haben sie sich seit ihrer Trennung sehr schnell in unterschiedliche Richtungen entwickelt, da sie in verschiedenen Habitaten leben.

Westliche Gorillas

Da es nur einen bekannten Cross-River-Gorilla in Gefangenschaft und sehr wenige Angaben zu frei lebenden Tieren gibt, lassen sich die Unterschiede zwischen den beiden Unterarten der Westlichen Gorillas nur an Schädelmerkmalen und genetisch festmachen. Diese Studien zeigen jedoch ganz deutliche Unterschiede. Am auffallendsten ist der Bereich, wo die Nackenmuskeln ansetzen. Außerdem haben Cross-River-Gorillas einen kürzeren und breiteren Schädel als andere Westliche Gorillas.

Westliche Flachlandgorillas haben das größte Verbreitungsgebiet und zeigen die größte Vielfalt von körperlichen und genetischen Merkmalen. Große Flüsse trennen Populationen, die sich eigenständig weiterentwickelt haben. Diese Unterschiede sind allerdings nicht so groß, dass man Unterarten abgrenzen könnte.

Angela Meder und Colin P. Groves