Ruanda erhöht die Preise

Gorillatourismus – eine Chance oder eine Gefahr für das Überleben der seltenen Menschenaffen?

8.5.2012

Ab Juni 2012 werden die Preise für einen einstündigen Besuch bei den bedrohten Berggorillas von 500 auf 750 US-Dollar erhöht, so hat es das Rwanda Development Board im Januar angekündigt. Die Anzahl der Gorillabesuche und der an Menschen gewöhnten Gorillagruppen steigt dennoch weiter.

Will man heute die seltenen Berggorillas (Gorilla beringei beringei) in ihrem natürlichen Lebensraum in den Virungabergen am Äquator besuchen, erfordert das einiges an Vorbereitung, Planung und Geld: Man benötigt eventuell ein Visum und Schutzimpfungen gegen Gelbfieber sowie eine Malariaprophylaxe, die Mediziner in den Tropeninstituten empfehlen weitere Impfungen. Man sollte gegebenenfalls körperlich etwas trainieren, denn die seltenen Berggorillas leben auf 2000 bis 4500 Metern Höhe in unwegsamem, stellenweise äußerst steilem Gelände. Und man muss sein Permit für den auf eine Stunde beschränkten Besuch bei den Gorillas kaufen, üblicherweise mehrere Monate im Voraus. In einer Studie wurde nachgewiesen, dass die ständige Betreuung der Gorillas, die regelmäßig besucht werden, auch zu ihrem Schutz beiträgt. Wer sich etwas mehr über die Situation der Gorillas informiert, erfährt aber, dass der Tourismus keineswegs nur Vorteile hat. Damit der Gorillaschutz bei der „Nutzung“ der attraktiven Tiere nicht auf der Strecke bleibt, ist die Aufklärung der Besucher über das richtige Verhalten dringend notwendig.

Gorillas sind immunologisch naiv

Die Biologin Dr. Angela Meder von der Berggorilla & Regenwald Direkthilfe (B&RD) e.V., einer gemeinnützigen Organisation, die sich seit 1984 dem Schutz bedrohter Gorillapopulationen und ihrer Lebensräume widmet, warnt vor zu großer Nähe von Mensch und Gorilla: „Gorillas sind gegen menschliche Krankheitserreger nicht resistent. Seit vielen Jahren ist die direkte Übertragung menschlicher Krankheitserreger auf Gorillas und andere Menschenaffen nachgewiesen. So kann eine menschliche Grippe für Berggorillas zur tödlichen Bedrohung werden.“ Studien belegen, dass die Ansteckungsgefahr umso höher ist, je häufiger Mensch und Gorilla in Kontakt kommen bzw. je intensiver sie die gleichen Gebiete nutzen. Da die Anzahl der Gorillatouristen von Jahr zu Jahr steigt und auch die Zahl der habituierten Gorillagruppen wächst, sind diese Gorillas einem immer höheren Übertragungsrisiko ausgesetzt. Dies gilt als eine der größten Bedrohungen für den Gorillabestand im Allgemeinen und betrifft vor allem habituierte Gruppen, die regelmäßig von Menschen besucht werden. Selbst eine Antibiotikaresistenz wurde bei wild lebendenden Gorillas schon nachgewiesen. Um die Krankheitsübertragung so gering wie möglich zu halten, haben Tierärzte eine Liste mit Regeln für Gorillabesuche ausgearbeitet.

Die 7-Meter-Abstandsregel

Seit sieben Jahren gilt die 7-Meter-Abstandsregel: Besucher sollen einen Abstand von sieben Metern zu den Gorillas einhalten, da Krankheitserreger diese Distanz kaum überwinden. Aber wird diese Regel auch eingehalten? Zwei Studien zu ihrer Umsetzung wurden in den Jahren 2004 und 2011 bei Gorillagruppen des Bwindi Impenetrable Nationalpark durchgeführt, dem Nationalpark, in dem etwa die Hälfte der Berggorillas lebt. In der ersten Studie wurden 361 Touristen aus 133 Besuchergruppen befragt. Die geschätzte mittlere Distanz zwischen Touristen und Gorillas betrug dabei 2,76 m. Es gab keinen direkten Kontakt zwischen Besuchern und Gorillas. Neugierige junge Gorillas hielten kurzfristig den geringsten Abstand zu den Touristen.

Bei der jüngsten Studie der amerikanischen Primatenforscherin Allison C. Hanes aus dem Jahr 2011 wurden 25 Touristen befragt, die bis auf einen die gleichen Gorillagruppen wie in der früheren Studie besucht hatten. Jetzt betrug der mittlere kürzeste Abstand zu den Gorillas 2,20 m. Und fünf Personen hatten sogar direkten Kontakt mit den Tieren! Beide Studien zeigen, dass die 7-Meter-Abstandsregel nicht befolgt wird und dass die Touristen den Gorillas gefährlich nahe kommen. Der Abstand, der in beiden Studien beobachtet wurde, war eher noch geringer geworden und der direkte Kontakt hatte zugenommen. Ursachen dafür sieht die Forscherin in schlecht ausgebildeten Gorillaführern und in Guides, die den Touristen einen Gefallen tun wollen, in der dichten Vegetation, die den Blick auf die Gorillas verhindert, und bei jungen Gorillas, die sich neugierig den Menschen nähern. Ein Resultat dieser neuen Studie: Um die sieben Meter Abstand bei den Gorillabesuchen wirklich einzuhalten, sind häufigere und bessere Schulungen für die Gorillaführer nötig. In der neuen Ausgabe des Gorilla-Journals, der Zeitschrift der B&RD, die regelmäßig über Neuigkeiten im Gorillaschutz und aus der Gorillaforschung berichtet, ist die Studie von Allison C. Hanes ausführlicher dargestellt.

Devisen helfen gegen Wilderei

Bei allen möglichen Gefahren haben der Gorilla-Tourismus und die Freilandforschung jedoch eindeutig positive Auswirkungen auf die Menschenaffen: Sie verringern illegale Wilderei, insbesondere bei habituierten Gruppen. Und der Tourismus bringt begehrte Devisen in die ostafrikanischen Länder. Trotzdem sollte jeder Gorilla-Besucher die vorgeschriebenen strikten Hygiene-Maßnahmen beachten. So sollten nur gegen Masern geimpfte Personen Zugang zu den Menschenaffen haben. Der mündige Tourist wird, im Interesse der Gorillas, nur dann in die Nähe dieser Tiere gehen, wenn er oder sie keinerlei Krankheitssymptome aufweist. Selbst und gerade dann, wenn es schwer fällt und man endlich eines der limitierten Permits für einen stolzen Preis in Händen hält. Und die 7-Meter-Abstandsregel muss eingehalten werden. Schließlich will der Gorillatourist mit seinem Besuch zum Schutz der Berggorillas beitragen und nicht die bereits stark bedrohte Tierart weiter gefährden.