Denise Nierentz: Nigeria 2006

Kategorien: Ausgabe 32, Schutzmaßnahmen, Nigeria, Cross-River-Nationalpark, Afi, Mbe, Cross-River-Gorillas, Gorilla Journal, Reiseberichte

Denise Nierentz mit dem Direktor des Cross-River-Nationalparks, Alhaji Abdulsalam.

Denise Nierentz mit dem Direktor des Cross-River-Nationalparks, Alhaji Abdulsalam. (© Andrew Dunn)

Vom 13. Januar bis 17. Februar bereiste ich Nigeria, wo die stark bedrohten Cross-River-Gorillas, eine Unterart des Westlichen Gorillas, ihr Verbreitungsgebiet haben. Es handelt sich hier um das nördlichste und zugleich westlichste Vorkommen von Gorillas, und sie wurden in Nigeria bis zu ihrer Wiederentdeckung 1983 lange für ausgestorben gehalten.

Erstmals wurden die Cross-River-Gorillas 1904 durch Paul Matschie vom Zoologischen Museum der Humboldt-Universität in Berlin beschrieben und dabei als neue Art klassifiziert - aufgrund des besonders kurzen Schädels, der kurzen hinteren Zahnreihe, der breiten Schädelbasis und der Gaumenform. Es folgte jahrzehntelange Uneinigkeit ob es sich nun hier um eigene Art, Unterart oder um dieselben Gorillas handelt wie anderswo. Erst in den 1990er-Jahren wurden dann die Cross-River-Gorillas durch Esteban Sarmiento und John Oates definitiv als eigene Unterart klassifiziert, heute unter dem wissenschaftlichen Namen Gorilla gorilla diehli bekannt. Von ihnen gibt es nur noch knapp 300 Tiere, somit sind sie die am meisten bedrohte Gorilla-Unterart.

In Gefangenschaft lebt nach heutigen Wissensstand gerade einmal ein Tier - ein konfiszierter Gorilla, der im Limbe Rescue Center in Kamerun zusammen mit geretteten Westlichen Flachlandgorillas lebt.

Mich interessierten auf meiner Reise die Gebiete, wo diese seltenen Gorillas leben, und so besuchte ich natürlich vor allem die von der Berggorilla & Regenwald Direkthilfe unterstützten Projekte. Begonnen hat die Reise in Calabar, wo ich Andrew Dunn kennen lernte, mit dem ich bisher nur per E-Mail regen Kontakt hatte. Er hatte auch schon ein volles Programm zusammengestellt. So traf ich beispielsweise Chris Agbor, den Permanent Secretary der Forest Commission, der für den Cross River State zuständig ist. Ich erfuhr, dass sowohl Afi als auch Mbe ausgezeichnet geschützt sind dank der zuverlässigen Arbeit von Wildhütern und Wissenschaftlern, welche in beiden Gebieten durch ihre Präsenz Wilderer fernhalten. Dann ging's los, das Afi Mountain Wildlife Sanctuary selbst zu besuchen. Es handelt sich hier um eine im Mai 2000 eingerichtete Schutzzone, welche vor allem die Cross-River-Gorillas schützen soll. WCS, für die auch Andrew Dunn arbeitet, ist seit 1986 in diesem Gebiet tätig.

Das Sanctuary umfasst rund 32 km² (welche im 380 km² großen Forest Reserve liegen), und liegt ungefähr 1300 m hoch. Es ist ein undurchdringliches Gebiet mit steilen Hängen, was sicher zum Schutz der dort lebenden rund 30 Gorillas beigetragen hat, die Arbeit der Leute dort aber massiv erschwert - und mich beim Kräfte zehrenden Aufstieg einige Male fluchen ließ (bis mir der Atem ausging). Das Gebiet ist gekennzeichnet durch lange Trockenzeiten, in denen die Tiere weniger Früchte finden und auf einer Nord-Süd-Achse die Gegend durchstreifen.

Alle 3 Monate finden mit Unterstützung von WCS (abwechslungsweise in Mbe und in Afi) Zählungen statt, in denen die auf verschiedene Camps verteilten Biologen und Wildhüter das ganze Gebiet durchstreifen und alle Nester wie auch gefundenen Kot und natürlich gelegentlich gesichtete Gorillas genau registrieren. Ich hatte das Glück, gerade während solch einer Zählung in Afi zu sein und lernte dort unter anderen endlich auch den wissenschaftlichen Leiter Inaoyom Imong kennen sowie Ubi Sam, den Conservation Coordinator des Afi Mountain Wildlife Sanctuary. Die Zählungen sind auch jeweils eine Gelegenheit für Biologiestudentinnen und -studenten der Universität Calabar, Felderfahrungen zu sammeln, und es waren alle mit großer Begeisterung, Interesse und Lerneifer mit dabei.

Mbe ist ein weiteres ganz wichtiges Gebiet, da es einen Korridor zwischen Afi und der Okwangwo Division des Cross-River-Nationalparks darstellt. Ohne offiziellen Schutzstatus ist es allein den Wildhütern zu verdanken, dass auch in diesem Gebiet schon seit vielen Jahren keine Gorillawilderei mehr stattgefunden hat. Das Management dieses Gebietes haben die umliegenden Gemeinden übernommen und im Moment wird gerade die Grenze des Kernschutzgebiets markiert. SPACE (Sustainable Practices in Agriculture for Critical Environments), von USAID gegründet, ist mit Aufklärung in den Dörfern tätig. Seit 1990 steht ein Antrag, auch Mbe in den Nationalpark zu integrieren, aber bisher ist in dieser Richtung noch nichts geschehen. Auch hier nimmt die Bevölkerung und damit der Druck auf den Wald zu.

Die Berggorilla & Regenwald Direkthilfe hat in beiden Gebieten die Renovierung von Wildhüterposten finanziert und das Material ist bereits vor Ort. Jede Holzlatte und jedes Blech musste eigens den Berg hinauf geschleppt werden, eine enorme Arbeit, die dementsprechend lange gedauert hat. Der tatsächliche Bau wird wohl einen Bruchteil dieser Zeit einnehmen! Der Posten in Afi ist inzwischen fertiggestellt worden (siehe unten).


Dann ging die Reise weiter in den eigentlichen Cross-River-Nationalpark (CRNP). Im Vorfeld waren wir in Akampka vom Direktor des CRNP, Alhaji Abdulsalam, empfangen worden, welcher sofort veranlasste, dass alle zuständigen Wildhüter informiert wurden, uns die Gegend um Anape zu zeigen. In Anape war durch Spenden des Zoos Kolmården ein Wildhüterposten errichtet worden.

Der Cross-River-Nationalpark ist ein so genannter Biodiversitäts-Hotspot, also ein Gebiet mit vielen Arten, auch vielen Endemiten (Arten, welche ausschließlich dort vorkommen) und ist stark gefährdet - durch Wilderei, Abholzung, Straßenbau, Bevölkerungsdruck. Der Nationalpark besteht aus zwei Teilen: der Oban Division im Süden mit rund 3000 km², die verbunden ist mit dem Korup-Nationalpark in Kamerun, und die Okwangwo Division im Norden, ebenfalls grenzüberschreitend nach Kamerun, wo das Takamanda Forest Reserve angrenzt. Dieser Teil umfasst in Nigeria rund 640 km². Beide Teile sind 63 km voneinander getrennt, und in beiden zusammengenommen leben 80% aller in Nigeria lebenden Primaten!

1991 wurde der CRNP als Nationalpark anerkannt. Die zahlreichen Dörfer, die sich damals in dem Waldgebiet befanden, sind bis heute erhalten geblieben, was den Schutz enorm erschwert, da das Gebiet dadurch recht zerstückelt ist und sehr viel Aufklärung sowie alternative Lebensweisen geboten werden müssen. Anape befindet sich in der Nähe von Obudu - hier wurde, außerhalb des Nationalparks, 1959 ein erstklassiges Hotel errichtet, welches momentan noch um weitere Luxus-Lodges erweitert wird. Die Landschaft ist denn auch wunderschön, es geht eine gewundene Straße hoch, sodass eine an die Schweiz anmutende Aussicht auf teils bewaldete, teils bereits entwaldete Hügel ermöglicht wird. Viele der dort lebenden Fulani brennen regelmäßig Vegetation ab, um Weiden für ihre Rinder zu schaffen. Glücklicherweise ist es auch im Interesse der Hotelbetreiber, die Natur auf dem Obudu-Plateau möglichst zu erhalten, denn die umliegenden Wälder sind natürlich beliebte Ausflugsziele, welche auch in Zukunft noch bestehen sollen.

Momentan wird geplant, noch einen zweiten Wildhüterposten in Bumaji zu errichten. Da das Gebiet sehr groß und zerklüftet ist, kann von Anape aus nur ein Bruchteil des Waldes geschützt werden. Eine Erweiterung der Schutzzonen würde auch der Bevölkerung vor Ort eine alternative Lebensweise geben, so dass sie nicht mehr die natürlichen Ressourcen ausbeuten müssen, um überleben zu können; sie könnten Arbeit als Wildhüter und beim Bau einer Wildhüterstation eine Alternative finden.

Bereits letztes Jahr hat die Berggorilla & Regenwald Direkfhilfe Zelte, Rucksäcke und Pullover für die Wildhüter in dieser Gegend gespendet.

Die Leitung des CRNP hat im Februar gewechselt; regelmäßig werden die Parkdirektoren in Nigeria versetzt, so ist nun ein neuer Mann (Steven Haruna) zuständig für Cross River, und Andrew Dunn wird mit ihm das weitere Vorgehen besprechen.

Wie im letzten Gorilla-Journal berichtet, wurde Nigeria, welches 1973 als einer der ersten Staaten dem internationalen Handelsabkommen CITES beigetreten war, vorübergehend ausgeschlossen. Der Grund waren zahlreiche illegale Schmuggelvorfälle. Es ist also unerlässlich, sich für den Schutz der übriggebliebenen Gebiete und darin lebenden Tiere verstärkt einzusetzen. Die Berggorilla & Regenwald Direkthilfe wird weiterhin mit dem CRNP zusammenarbeiten; wir sagten Unterstützung zu für weitere Schutzmaßnahmen.


Denise Nierentz