Gehen oder bleiben?

Kategorien: Gorilla Journal, Ausgabe 59, Verhalten, Westliche Flachlandgorillas

Das Gorillaweibchen Bessie (in der Gruppe von George, links) "überlegt", ob es zum jüngeren Coriander wechseln und seinen Sohn Franklin bei George zurücklassen soll. (© Vidrige Kandza/WCS Kongo)

Wie entscheiden sich weibliche Gorillas für ihren Partner? Eine neue Studie zeigt, dass dabei verschiedene Gesichtspunkte eine Rolle spielen.

Westliche Flachlandgorillas leben in sozialen Gruppen mit einem Silberrücken (erwachsenes Gorillamännchen), mehreren Gorillaweibchen und Jungtieren. Der Silberrücken schützt mit seiner beeindruckenden Körpergröße seine Gruppe vor Raubtieren und anderen Gorillamännchen. Die weiblichen Gorillas können die Gruppe mehrmals in ihrem Leben wechseln. Sie scheinen dabei unterschiedliche Strategien zu verfolgen. Manche Gorillaweibchen wechseln jedes Mal die Gruppe, wenn sie ein Kind entwöhnt haben, andere bleiben 20 Jahre lang beim gleichen Männchen.

Wenn ein Silberrücken stirbt, müssen sich alle weiblichen Gorillas einem anderen Männchen anschließen. Stillt eine Mutter zu diesem Zeitpunkt noch ein Jungtier, wird der neue Silberrücken höchstwahrscheinlich das Baby töten, um sich mit ihr zu paaren und eigenen Nachwuchs zu zeugen.

Gorillaweibchen können eine Kindstötung verhindern, indem sie unmittelbar nach dem Abstillen ihres Kinds und vor einer erneuten Schwangerschaft die Gruppe wechseln. Dieser Wechsel ist für die Gorillaweibchen allerdings auch mit Nachteilen verbunden. Sie müssen den gewohnten Lebensraum verlassen, die Mitglieder der neuen Gruppe begegnen ihnen zunächst oft mit Aggression und das Intervall zwischen den Geburten verlängert sich.

Damit stecken Gorillamütter in einem Dilemma: Ist es günstiger für sie, lange bei demselben Partner zu bleiben und eine Kindstötung zu riskieren, falls der Silberrücken stirbt, bevor das Baby abgestillt ist? Oder ist es besser, die Gruppe zu wechseln und dafür eine deutliche Verlängerung des Geburtenabstands in Kauf zu nehmen?

Um dieser Frage nachzugehen, werteten wir die Daten aus einer Langzeitstudie über 20 Jahre aus. Zwischen 1995 und 2015 wurden in der Mbeli Bai im Nouabalé-Ndoki-Nationalpark, Republik Kongo, insgesamt 440 Gorillas in 36 Gruppen mit 100 erwachsenen weiblichen Gorillas und 229 Jungtieren beobachtet. Mbeli Bai ist eine 13 ha große sumpfige Lichtung im Regenwald, die mineralstoffreiche Nahrung bietet und sehr attraktiv für Gorillas ist. Die Beobachtungen erfolgten mit Teleskopen, Digitalkameras und Videos von einer 9 m hohen Plattform aus.

Unsere Auswertungen ergaben, dass mehr Gorillakinder sterben (80 %), wenn der Silberrücken alt ist und sich seine aktive Zeit dem Ende nähert; steht der Silberrücken am Anfang seiner "Karriere", sind es nur 40 %. Schließt man die Fälle aus, in denen die Gruppenleiter im Beobachtungszeitraum starben, beträgt die Kindersterblichkeit bei alten Silberrücken immer noch 65 % - in Gruppen, die von jungen Silberrücken geleitet werden, dagegen nur 30 %. Das bedeutet, dass die Fähigkeit eines Gorillamännchens, die Mitglieder seiner Gruppe zu schützen, mit steigendem Alter deutlich abnimmt.

Wenn weibliche Gorillas ihre Gruppe verlassen, um sich einem anderen Silberrücken anzuschließen, verlängert sich das Intervall bis zur nächsten Geburt statistisch um 5 Monate. Gorillaweibchen, die im Lauf ihres Lebens die Gruppe viermal gewechselt haben, brauchen im Vergleich zu Weibchen, die in derselben Gruppe geblieben sind, etwa 10 Jahre länger, um überlebenden Nachwuchs zu bekommen.

Unsere Studie zeigt, dass es für Gorillaweibchen am schlechtesten ist, wenn sie ihren Nachwuchs verlieren. Das bedeutet, dass sie den Silberrücken verlassen sollten, wenn er schwach ist und möglicherweise innerhalb der nächsten 5 Jahre sterben wird, also bevor ihr Kind abgestillt ist. Viele Gorillaweibchen verlassen den Silberrücken lange vor seinem Tod. Sie scheinen einschätzen zu können, wenn er schwächer wird, vielleicht indem sie beobachten, wie er in Auseinandersetzungen mit anderen Männchen abschneidet.

Unsere Studie beleuchtet die Mechanismen, die den Gruppenstrukturen von Gorillas und ihrer Dynamik zugrunde liegen. So versuchen wir auch dazu beizutragen, den Schutz dieser bedrohten Tiere zu verbessern.

Marie Manguette und Martha Robbins

Originalartikel

Manguette, M. L., Robbins, A. M., Breuer, T., Stokes, E. J., Parnell, R. J. & Robbins, M. M. (2019): Intersexual conflict influences female reproductive success in a female-dispersing primate. Behavioral Ecology and Sociobiology 73, 118