Zoonosen und Menschenaffen

Kategorien: Ausgabe 61, Krankheiten, Mensch & Gorilla

Bei Flughunden (hier in Uganda) wurden verschiedene Coronaviren gefunden. Es ist schon lange bekannt, dass sie etliche Krankheiten übertragen können. (© Wolfram Rietschel)

Zoonosen sind zwischen Tieren und Menschen übertragbare Infektionskrankheiten. Alleine bei Viren gibt es über 1000 humanpathogene Erreger, von denen ca. 60% zoonotisch sind. Wegen der nahen Verwandtschaft zwischen Mensch und nichthumanen Primaten können nahezu alle Infektionen des Menschen auf Menschenaffen übertragen werden, das Gleiche gilt natürlich auch in umgekehrter Richtung.

Man unterscheidet:

  • durch Viren verursachte Zoonosen, z. B.: Tollwut, Gelbfieber, Hantavirus-Erkrankung, Ebola, Schweine- und Vogelgrippe
  • durch Bakterien verursachte Zoonosen, z. B.: Tuberkulose, Pest, Milzbrand, Salmonellose und Shigellose
  • durch Parasiten verursachte Zoonosen, z. B.: Fuchsbandwurm (Echinokokkose), Trichinose, Leishmaniose, Toxoplasmose und Krätze

Die Zahl der bekannten Zoonosen dürfte im vierstelligen Bereich liegen, hier kann nur auf einige wenige ausgesuchte Krankheiten eingegangen werden.

Viren

Von besonderer Aktualität sind in den letzten Jahren Epidemien und Pandemien durch Corona-Viren. Bis 2003 maß man diesen Viren, die bei Mensch, Säugetieren und Vögeln unterschiedliche Krankheitsbilder verursachen, keine zoonotische Bedeutung zu, bis drei Emerging (neu entstehende) Corona-Viren weltweit für Panik sorgten bzw. immer noch sorgen. Von einem Emerging Virus spricht man, "wenn esin einer Population von Organismen neu auftritt oder seine Ausbreitung in der Population ungewohnt rasch und mit hoher Inzidenz [Häufigkeit] geschieht. Dies kann durch eine Anpassung eines Virus an einen neuen Wirt als artübergreifender Wirtswechsel auftreten oder durch Entstehung einer neuen, pathogeneren [stärker krank machenden] Virusvariante innerhalb der bisherigen Wirtsspezies" (Wikipedia).

  • 2002 SARS-CoV-1: Severe acute respiratory syndrome, Ansteckung vermutlich durch Kontakt mit Schleichkatzen
  • 2012 MERS-CoV: Middle east respiratory syndrome-related coronavirus, Ansteckung über Kontakt mit Dromedaren
  • 2019 SARS-CoV-2: Severe acute respiratory syndrome coronavirus 2, Ansteckung vermutlich über Kontakt mit Schuppentieren (?) auf einem Wildtiermarkt in Wuhan, China

Alle drei Erreger wiesen genetische Übereinstimmungen mit Corona-Viren auf, die bei Fledermäusen nachgewiesen wurden. Fledermäuse und Flughunde gelten auch als Reservoir für Tollwut-, Ebola- und Marburg-Viren. Da mittlerweile über 3000 verschiedenen Corona-Viren bei Fledermäusen nachgewiesen werden konnten, ist es nur eine Frage der Zeit, wann mit der nächsten Pandemie zu rechnen ist.

In der Literatur finden sich zahlreiche Hinweise auf viral bedingte Zoonosen, man nimmt an, dass fast alle beim Menschen nachgewiesenen Viren einen tierischen Ursprung haben. So wurde vor etwa 100 Jahren das SIV (Simian immunodeficiency virus) von Schimpansen auf Menschen übertragen, ist zum HIV (Human immunodeficiency virus) mutiert und hat die weltweite Aids-Pandemie verursacht. Afrikanische Menschenaffen haben sich vor tausenden von Jahren durch Kontakt mit anderen Affenarten (vermutlich Mangaben) mit SIV angesteckt; im Laufe der Evolution hat sich ihr Immunsystem auf den Erreger eingestellt, so dass die Pathogenität (krankmachende Eigenschaft) von SIV nicht mit der von HIV zu vergleichen ist.

In Nationalparks Afrikas wurden bei habituierten Schimpansen- und Gorillagruppen Todesfälle beobachtet, nachdem die Tiere sich mit "banalen" Erkältungsviren des Menschen angesteckt hatten. Als Ansteckungsquelle kommen u.a. Mitarbeiter von Forschungsprojekten und Touristen in Frage. Viren können bei einem Wirtswechsel ihre Pathogenität verändern, insbesondere wenn das Immunsystem des Empfängers nicht auf den Erreger eingestellt ist. Ein Beispiel aus dem Zoobereich ist die Übertragung von Herpes-simplex-Viren, beim Menschen und Menschenaffen in Zoologischen Gärten ist dieser Erreger weit verbreitet; 80-90% der Erwachsenen haben Antikörper. Die Infektion verläuft meist ohne oder mit milden Symptomen (Lippenherpes). Bei Neugeborenen sowie bei Tupaias kann es jedoch zu einer schweren, unter Umständen tödlich verlaufenden Allgemeininfektion kommen. Die nahe verwandten Herpes-B-Viren sind bei asiatischen Makaken endemisch und meist symptomlos. Die Viren werden durch Bisse (Speichel), Kratzer oder mit Kot, Urin oder Bläscheninhalt übertragen. Beim Menschen verläuft eine unbehandelte Infektion in 80% der Fälle in wenigen Tagen tödlich.

Bakterien

Der erste Gorilla, der 1876 den Transport nach Europa überlebte, M'Pungu, starb 1877 in Berlin im Alter von etwa drei Jahren. Bei der Sektion wurde von dem Pathologen Rudolf Virchow in der Berliner Charité als Todesursache neben Durchfall und einer Darmentzündung eine Lungentuberkulose festgestellt. Die Tuberkulose (Tbc) ist auf den engen Kontakt des jungen Gorillas mit Menschen zurückzuführen. Im 19. Jahrhundert war die "Schwindsucht" besonders in der ärmeren Bevölkerung weit verbreitet. Ansteckungsquelle waren (hustende) Mitmenschen, aber auch der Genuss frischer Kuhmilch und der Kontakt mit erkrankten Tieren. Heute ist laut WHO (Weltgesundheitsorganisation) ein Drittel der Weltbevölkerung mit Tbc infiziert, wobei die Erkrankung nur selten ausbricht. In Stresssituationen, z. B. bei mangelnder oder falscher Ernährung sowie bei einer Schwächung des Immunsystems (z. B. bei Aids), kann es zu klinischen Symptomen und Erregerausscheidung kommen.

Auch M'Pungu wurde, wie in Brehms Tierleben nachzulesen ist, völlig falsch ernährt: mit Butterbrot, Kuhkäse, Frankfurter Würstchen und kalter Berliner Weiße. Dies dürfte zum Ausbruch der Erkrankung beigetragen haben. Der Zootierarzt und Zoodirektor Dr. Max Schmidt beschrieb1870 in seinem Buch Die Krankheiten der Affen die Tuberkulose als häufige Todesursache und führte diese auf "Klimawechsel, Gefangenschaft und abnorme Ernährungsweise" zurück. Durch vergleichende Beobachtungen bei Kapuzineraffen und Pavianen konnte er die zu dieser Zeit die in der Humanmedizin verbreitete Theorie widerlegen, dass "die beständige Aufregung und das hieraus entspringende Onanieren zur Entstehung der Tuberkulose beitrage". In Afrika ist die Tuberkulose neben Malaria und Aids die häufigste Infektionskrankheit, wobei HIV-Erkrankte oft auch mit Tbc infiziert sind.

Afrikanische Menschenaffen leben in Gebieten, in denen die Tuberkulose in der Bevölkerung und bei landwirtschaftlichen Nutztieren weit verbreitet ist. Die Übertragung der Erreger durch Einheimische und deren Haustiere, paramilitärische Banden, Flüchtlinge, Wilderer und Mitarbeiter von Schutzprojekten auf Gorillas und Schimpansen ist durchaus denkbar. Bisher gibt es aber nur einen Nachweis einer Mycobacterium-tuberculosis-Infektion bei einem tot aufgefundenen Schimpansen im Tai-Nationalpark an der Elfenbeinküste.

In anderen Gegenden Afrikas ist das Tbc-Problem wesentlich gravierender. So wurde im südlichen Krüger-Nationalpark in Südafrika bei 80% der untersuchten Löwen Tbc nachgewiesen, Infektionsquelle waren Büffel, die sich beim Kontakt mit Hausrindern angesteckt hatten.

Parasiten

Man unterscheidet Endo- und Ektoparasiten, je nachdem, ob sie im Wirtskörper oder auf dem Wirt leben. Es gibt wohl keine parasitenfreien Wildtiere. Im Laufe der Evolution hat sich aber bei den meisten Arten ein Wirt-Parasit-Gleichgewicht eingestellt. Auch bei der ländlichen Bevölkerung in Afrika sind Parasiten, insbesondere Darmnematoden wie Spul-, Haken- und Madenwürmer weit verbreitet. Bei Stresssituationen, Mangelernährung, bakteriellen oder viralen Erkrankungen, bei Schwächung des Immunsystems, im hohen Alter oder bei einer Infektion mit neuen Arten kann dieses Gleichgewicht gestört werden. So waren in der Anfangszeit der Menschenaffenhaltung neben Tuberkulose und pathogenen Darmbakterien Darmparasiten eine häufige Ursache bei Todesfällen in Zoologischen Gärten.

In der Literatur gibt es aus dem Freiland einzelne Nachweise wechselseitiger Übertragung von Hakenwürmern zwischen Gorillas, der lokalen Bevölkerung und Primatenforschern. Nicht ohne Grund darf man beim Gorillatrecking seine Notdurft nur an einem zugewiesenen Platz in ein vorbereitetes Loch verrichten, das dann sorgfältig abgedeckt wird.

Als Kuriosum sei erwähnt, dass die ersten Gorillakinder, die 1965 an den Stuttgarter Zoo kamen, völlig verlaust waren. Leider wurde die Art nicht bestimmt, es handelte sich aber wahrscheinlich um die Gorillalaus, Pthirus gorillae. Die beim Menschen heimische Kopflaus (Pediculus humanus capitis) wurde bei wild lebenden Gorillas bisher nicht nachgewiesen. Es ist aber nicht auszuschließen, dass sich die Tiere durch den engen Kontakt mit verlaustem Personal bei der Aufzucht mit Läusen angesteckt haben. Bei einem Ausbruch von Sarcoptes-Räude (Krätze) in einer Berggorillagruppe im Bwindi-Nationalpark wurde vermutet, dass die Milben durch direkten oder indirekten Kontakt mit Haustieren oder der lokalen Bevölkerung übertragen wurden.

Da Siedlungen und landwirtschaftlich genutzte Flächen immer näher an die Schutzgebiete in Ostafrika heranrücken, besteht eine zunehmende Gefahr der wechselseitigen Übertragung von Krankheitserregern. Diese kann nur durch eine Überwachung der Parkgrenzen, Einrichtung von Pufferzonen und Aufklärung der Bevölkerung reduziert werden. Dringend notwendig sind eine Verbesserung der medizinischen Infrastruktur und ein Verbot der Vermarktung von Wildtierfleisch (Bushmeat).

Seit September 2020 gelten die derzeit aktuellen AHA-Corona-Regeln: Abstand (statt 1,5 m zwischen Menschen 7-10m zwischen Menschen und Gorillas, die aber nicht immer von den Affen eingehalten werden!), Hygiene und spezielle Masken (N95, chirurgische Masken oder doppellagige Stoff-Masken mit Filter) auch für Teilnehmer am Gorilla- und Schimpansentrecking. Bisher waren für Touristen in Uganda im Bwindi- und Kibale- sowie in Ruanda im Vulkan-Nationalpark keine Masken vorgeschrieben. Es ist fraglich ob die Menschenaffen diese Veränderung zu schätzen wissen. Als im Kahuzi-Biéga-Nationalpark 2010 erstmals Besucher mit Masken die Grauergorillas besuchten, erschrak der über 200 kg schwere Silberrücken Chimanuka und brachte sich auf dem nächsten Baum in Sicherheit. 2016 konnte sich der Autor aber davon überzeugen, dass sich Chimanuka inzwischen an den Anblick von Masken gewöhnt hat.

Wolfram Rietschel

Literatur zum Nachlesen
Bauerfeind, R. et al. (2013): Zoonosen - Zwischen Tier und Mensch übertragbare Infektionskrankheiten. Deutscher Ärzte-Verlag, Köln
Brehm, A. (1916): Brehms Tierleben, 13. Band, Säugetiere 4. Band. Bibliographisches Institut
Cooper, J. E. & Hull, G. (2017): Gorilla Pathology and Health. Elsevier-Academic Press
Göltenboth, R. & Klös, H.-G. (1995): Krankheiten der Zoo- und Wildtiere. Blackwell Wissenschafts-Verlag, Berlin
Modrý, D. et al. (2018): Parasites of Apes. An Atlas of Coproscopic Diagnostics. Edition Chimairia, Frankfurt am Main
Schmidt, M. (1870): Die Krankheiten der Affen. Verlag August Hirschwald, Berlin