Warum diese Angriffe?

Kategorien: Ausgabe 62, Krieg, Konflikte, D. R. Kongo, Virunga-Nationalpark, Berggorillas, Grauergorillas

Karte des Virunga-Nationalparks; der Angriff im Januar fand bei Nyamilima statt. (© Angela Meder)

Ein neuer tödlicher Angriff auf Virunga-Wildhüter
Am 10. Januar 2021 kamen sechs Wildhüter des Virunga-Nationalparks bei einem bewaffneten Rebellenangriff ums Leben, ein weiterer wurde schwer verletzt. Die Wildhüter wurden während einer Fußpatrouille aus dem Hinterhalt überfallen. Verantwortlich ist laut ICCN eine lokale Miliz der Mai-Mai.

Angriffe auf Mitarbeiter des Virunga-Nationalparks sind leider keine Seltenheit. Seit 1925, als das Gebiet unter Schutz gestellt wurde, kamen dabei über 200 Personen um. Warum werden sie attackiert? Was wird zu ihrem Schutz getan und wie effektiv sind diese Maßnahmen?

Der Park ist eines der artenreichsten Schutzgebiete Afrikas und beherbergt auch Berggorillas. Er liegt in der Provinz Nord-Kivu im Osten der Demokratischen Republik Kongo, einer Region schwelender Dauerkonflikte, in der über 130 bewaffnete Gruppen aktiv sind. Die Gründe für diese Konflikte sind vielfältig: Es geht um Landnutzung, den Zugang zu natürlichen Ressourcen, um Macht und politischen Einfluss.

Aber nicht nur die Parkwächter sind gefährdet, sondern auch die Bewohner der Region. Anfang Januar 2021 wurden beispielsweise bei einem Überfall auf ein Dorf nahe der Parkgrenze 22 Zivilisten getötet.

In den letzten Jahren wurden die Wildhüter vermehrt angegriffen, weil sie sich bemühen - teils gemeinsam mit der kongolesischen Armee -, die illegale Nutzung von Ressourcen im Park (wie Holzkohle-Herstellung oder Fischerei) zu unterbinden. Die Rebellen sehen die Parkmitarbeiter als Bedrohung ihrer Einflusssphäre und ihrer Einnahmequellen an. Um die Bedeutung des Parks für den Tourismus zu sabotieren, wurden auch schon Touristen entführt.

Ein weiterer Grund für Angriffe ist die Tatsache, dass es immer wieder Konflikte zwischen dem Parkmanagement und der Bevölkerung zum Verlauf der Parkgrenze und zur Ressourcennutzung gibt. Die Angreifer haben oft Verwandte in der Bevölkerung, so auch die bewaffneten Gruppen der Gegend, in der der Angriff vom 10. Januar stattfand. Dort sind die Spannungen besonders ausgeprägt, weil ein Elektrozaun errichtet werden soll, was in den Gemeinden auf Widerstand stößt. Allerdings werden Gewaltakte nicht grundsätzlich von der Bevölkerung gutgeheißen; sie werden vielfach verurteilt und friedliche Lösungen angestrebt.

Auf jeden Fall müssen die Übergriffe individuell betrachtet werden, weil sie unterschiedlich motiviert sind. Das ist einerseits wichtig, um die Täter angemessen zur Rechenschaft zu ziehen, andererseits, um ihre Beweggründe besser einschätzen zu können.

Die Wildhüter werden militärisch geschult, damit sie sich verteidigen können. Leistungsfähige Logistik- und Kommunikationsausrüstung ermöglicht ihnen einen raschen Informationsaustausch. Darüber hinaus wird der Park aus der Luft überwacht, um z. B. die Bewegungen bewaffneter Gruppen zu verfolgen. Und eine schnelle Eingreiftruppe wurde geschaffen, die bei akuter Gefahr zum Einsatz kommt.

Die militärische Schulung der Wildhüter und das härtere Durchgreifen haben unbeabsichtigt einen Teufelskreis der Gewalt in Gang gesetzt. Erhöhter Druck auf die Rebellen und die Kooperation mit der Armee führen fast zwangsläufig zu Gegenangriffen.

Die Parkwächter - derzeit 689 - sind den Rebellen zahlenmäßig unterlegen; Bemühungen zu ihrem Schutz waren bisher nicht sehr wirksam. Ihr Dilemma ist ihnen deutlich bewusst: Einerseits werden sie als Helden und Märtyrer dargestellt, andererseits haben sie schlicht Angst, ihr Leben zu verlieren.

Das derzeitige Vorgehen bei der Abwehr von Angriffen hat außerdem die Beziehungen zwischen Parkverwaltung und lokaler Bevölkerung verschlechtert. Unsere Nachforschungen ergaben, dass man den Wildhütern mit Angst und Misstrauen begegnet. Die angespannte Situation wird von den Parkwächtern, mit denen wir gesprochen haben, bedauert – sie wollen als Naturschützer wahrgenommen werden, nicht als "Soldaten".

Unserer Ansicht nach lässt sich ihre Sicherheit auf zweierlei Art verbessern: Erstens ist es wichtig, der Lösung der Konflikte mit der Bevölkerung Priorität einzuräumen und den Dialog zu suchen; zweitens muss eine umfassende Strategie für den Umgang mit bewaffneten Gruppen entwickelt werden.

Dies ist jedoch nicht in erster Linie eine Aufgabe der Parkverwaltung, sondern der Regierung, der Armee und der Dorfvorsteher. Leider deutet wenig darauf hin, dass eine solche Strategie entwickelt wird. Zur Bekämpfung der wachsenden Unsicherheit verhängte die kongolesische Regierung am 6. Mai 2021 das Kriegsrecht über Nord-Kivu, wo der Virunga-Park liegt. Militär und Polizei haben die Macht übernommen. Allerdings ist es fraglich, ob man die bewaffneten Gruppen allein durch militärische Maßnahmen in den Griff bekommen kann. Wahrscheinlich wird also die Unsicherheit im Virunga-Park anhalten.

Judith Verweijen und Esther Marijnen