Genetische Studie zur Geschichte der Gorillas

Kategorien: Ausgabe 42, Östliche Gorillas, Westliche Gorillas, Systematik, Gorilla Journal, Gorilla-Arten

Schematische Darstellung der Evolution von Gorillas. Die Zeiten sind in Jahren angegeben und stellen Mittelwerte einer Verteilung dar, die ausgefüllten Boxen Barrieren für den immer kleiner werdenden Genfluss. Die graue Schattierung auf der Seite der Östlichen Gorillas soll andeuten, dass über sie noch wenig bekannt ist. Weitere Studien werden folgen. (© Olaf Thalmann)

Über die letzten zwei Jahrzehnte hinweg haben genetische Studien erheblich zum besseren Verständnis der Evolution des Gorillas beigetragen - eines unserer nächsten Verwandten.

Die Verbreitung heutiger Gorillas weist eine eindeutige geografische Trennung von West- (Gorilla gorilla) und Ostgorillas (Gorilla beringei) auf. Trotz dieser Trennung haben beide Arten Gemeinsamkeiten hinsichtlich ihrer Morphologie und ihres Verhaltens und es ist daher nicht verwunderlich, dass sie bis vor kurzem noch als Unterarten einer einzigen Art angesehen wurden. Während frühere genetische Studien ein klares Bild von der evolutionären Geschichte zwischen den beiden Arten ergaben, blieb diese innerhalb der Arten noch weitestgehend unerforscht.

Das Ziel unserer jüngsten Studie war es, ein besseres Verständnis von der Geschichte der weit verbreiteten Westlichen Flachlandgorillas und der in ihrer Verbreitung und Anzahl stark eingeschränkten und gefährdeten Cross-River-Gorillas zu bekommen. Während die Anzahl der westlichen Flachlandgorillas auf mehrere Zehntausend geschätzt wird, leben in den Gebirgsregionen im Grenzgebiet zwischen Kamerun und Nigeria nur noch etwa 300 Cross-River-Gorillas. Frühere genetische Studien an dieser stark gefährdeten Unterart beruhten auf Kotproben, die ohne große Belästigung der Tiere gesammelt werden konnten, und deuteten einen entweder sehr starken oder sehr jungen "Bottleneck" in der Population an.

Wir erweiterten die Analysen und schlossen 100 Jahre alte Museumsproben in unsere Untersuchung ein, wodurch ein direkter Vergleich der genetischen Vielfalt in der Vergangenheit mit der von heute möglich wurde. Zusätzlich zu diesem Vergleich benutzten wir theoretische Modelle, um einen noch tieferen Einblick in die Geschichte der Cross-River-Gorillas zu gewinnen.

Wir konzentrierten uns dabei auf zwei verschiedene Modelle. Das erste Modell beschrieb eine Trennung zwischen Westlichem Flachland- und Cross-River-Gorilla zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Vergangenheit. Bevor beide Populationen endgültig getrennt wurden, haben sie sich noch einmal vermischt – was einer Hybridisierung entspricht. Ein alternatives Modell geht davon aus, dass nach einer initialen Trennung in beiden Populationen der Genfluss graduell abnahm - bis zur endgültigen Trennung der beiden Unterarten. Da wir von einer drastischen Abnahme der Anzahl von Cross-River-Gorillas ausgehen, bauten wir diesen Aspekt entsprechend in unsere Modelle ein. Unsere Analysen zeigten, dass das Modell der initialen Trennung gekoppelt mit anschließendem, kontinuierlich abnehmenden Genfluss unseren Daten am ehesten entsprach.

Durch die Flexibilität unseres theoretischen Modells waren wir in der Lage, einige Parameter zu spezifizieren und am Ende ein weiteres Stück im großen Puzzle der Evolution der Gorillas zu erhalten. Diese lässt sich nun wie folgt beschreiben: Eine ursprüngliche Trennung von West- und Ostgorillas erfolgte ungefähr vor 1 Mio. Jahren, sie wurde jedoch von einem andauernden Genfluss bis vor etwa 78 000 Jahren begleitet. Die Westlichen Gorillas spalteten sich vor ungefähr 17 800 Jahren in Westliche Flachland- und Cross-River-Gorillas auf, und auch diese Trennung war von andauerndem Genfluss zwischen den sich auftrennenden Populationen gekennzeichnet. Der Genfluss stoppte vor ungefähr 420 Jahren, und nur etwa 100 Jahre später setzte eine drastische Reduzierung der Individuenzahl in der Cross-River-Gorilla-Population ein. Im Unterschied dazu blieb die Populationsgröße der Westlichen Flachlandgorillas relativ konstant, wies jedoch ursprünglich eine stärkere Strukturierung auf.

Unsere Resultate stehen im Einklang mit dem Bild vom sich stetig verändernden Klima Zentralafrikas während der letzten Jahrtausende und mit der starken Zunahme der Gefährdung der Gorillas durch uns Menschen. Die Bejagung ist momentan eine der größten Gefahren für das Überleben der Menschenaffen, speziell für derart kleine Populationen wie die der Cross-River-Gorillas, die erst kürzlich durch einen drastischen Bottleneck ging. Damit auch zukünftige Generationen diese wundervollen Tiere erleben können, ist es unerlässlich, dass die Anti-Jagd-Gesetze eingehalten werden und dass ihr Lebensraum erhalten, eventuell sogar ausgeweitet wird.

Olaf Thalmann, Richard A. Bergl und Linda Vigilant

Originalveröffentlichung:
Thalmann, O., Wegmann, D., Spitzner, M., Arandjelovic, M., Guschanski, K., Leuenberger, C., Bergl, R. A. & Vigilant, L. (2011): Historical sampling reveals dramatic demographic changes in western gorilla populations. BMC Evolutionary Biology 11, 85