Cross-River-Vielfalt

Kategorien: Ausgabe 38, Bestandsaufnahme, Systematik, Kamerun, Nigeria, Gorilla Journal

Verbreitungsgebiet der Cross-River-Gorillas

Verbreitungsgebiet der Cross-River-Gorillas (© Angela Meder, mit Informationen von Rich Bergl)

Lebensraumverlust, menschliche Eingriffe und Krankheitserreger sind Gefahren für jede Tierpopulation. Wie gut sie damit zurechtkommt, hängt von ihrer genetischen Diversität ab. Eine genetische Verarmung kann vor allem kleine Populationen wie die Cross-River-Gorillas gefährden - durch Inzucht und Gendrift, also den zufälligen Verlust von Genvarianten.

In einer umfassenden Studie haben wir überprüft, wie hoch die genetische Variabilität der letzten 250-300 Cross-River-Gorillas ist. Es zeigte sich, dass die genetische Vielfalt nicht gleichmäßig über die drei getrennten Teilpopulationen verteilt ist. In der größten Teilpopulation im Zentrum des Verbreitungsgebietes ist sie deutlich höher als bei den kleinen Randpopulationen. Auf die östlichen und westlichen Teilpopulationen kann man aber nicht einfach "verzichten", weil sie zum Teil ganz andere Erbeigenschaften besitzen und damit die Variabilität der Gesamtpopulation deutlich verbessern.

Um die Situation der Cross-River-Gorillas besser einzuschätzen, verglichen wir diese Daten mit denen der ebenfalls kleinen Berggorilla-Populationen in den Virungas und in Bwindi. Das Ergebnis war beruhigend: Wir fanden keine genetische Verarmung der Cross-River-Gorillas. Die Berggorillas gelten als genetisch stabile Populationen, und somit dürften die Cross-River-Gorillas im Hinblick auf ihr genetisches Potenzial nicht unmittelbar bedroht sein.

Grund zur Euphorie geben die Ergebnisse jedoch nicht, vor allem wenn man sie mit der genetischen Vielfalt der Westlichen Flachlandgorillas in Mondika, einer großen, relativ ungestörten Population, vergleicht. Dieser Vergleich lässt auf eine reduzierte Variabilität bei den Cross-River-Gorillas schließen.

Die Daten weisen darauf hin, dass der Rückgang der Cross-River-Gorillas in den letzten 100-200 Jahren relativ abrupt war. Dagegen scheint die Zahl der Berggorillas viel kontinuierlicher abgenommen zu haben. Grund dafür ist vermutlich die Geschichte der Lebensräume. Die Cross-River-Gorillas leben in einem großen zusammenhängenden Waldgebiet, kommen aber heute nur noch in Teilen davon vor. Die Wildfleisch-Jagd hat hier eine lange Tradition, und durch die Ausbreitung von Schusswaffen in den letzten beiden Jahrhunderten ist die Jagd auf Großtiere deutlich gestiegen. Berggorillas dagegen leben in der dichtestbesiedelten Region Afrikas; ihre Bergwälder sind von Ackerland umgeben, das mindestens seit 400 Jahren bebaut und beweidet wird. Die zunehmende Ausdehnung der Felder auf Kosten des Waldes dürfte den langsamen Rückgang der Berggorillas erklären.

Wenn die genetische Diversität einer Population, die über ihre Anpassungsfähigkeit entscheidet, ein Schlüssel zu ihrer Zukunft ist, dann muss dies künftig in Artenschutzprogrammen stärker berücksichtigt werden. Für das Management der Cross-River-Gorillas heißt das vor allem, den natürlichen Austausch zwischen den Teilpopulationen durch die Erhaltung von Waldkorridoren zu fördern und die Jagd stärker zu kontrollieren.


Richard A. Bergl, Brenda J. Bradley, Anthony Nsubuga und Linda Vigilant