Was essen wir heute?

Kategorien: Ausgabe 66, Ökologie, Verhalten, Sonstige Länder, Sonstige Schutzgebiete, Westliche Flachlandgorillas

Häufigkeit von Nahrungsrufen (food calls) bei zwei habituierten Westlichen Gorillagruppen in Abhängigkeit von der Ergiebigkeit der Nahrungsquelle (© Miglietta et al. 2021)

Westliche Flachlandgorillas können ihren Energiebedarf das ganze Jahr decken, obwohl ihre Ernährung stark von den Jahreszeiten abhängt. Dabei scheinen sie räumlich-zeitliche kognitive Fähigkeiten zu nutzen und zeigen eine hohe Verhaltensflexibilität.

Westliche Flachlandgorillas leben im Tiefland-Regenwald. Im Unterschied zu den Berggorillas, die sich vorwiegend von Blättern und Kräutern ernähren, sind sie bei hohem Fruchtangebot hauptsächlich frugivor. Doch auch in tropischen Regenwäldern sind Früchte nicht immer verfügbar und die Produktivität der Bäume schwankt von Jahr zu Jahr. Anders als krautige Pflanzen sind fruchttragende Bäume außerdem im Wald schwer zu finden, da sie verstreut wachsen und nur zu einer bestimmten Zeit fruchten.

Bei geringem Fruchtangebot ernähren sich die Gorillas vor allem von Blättern und Kräutern. Ihr langer Darm und die lange Verweildauer der Nahrung im Darm ermöglichen es ihnen, ihre Ernährung dem Angebot anzupassen. Dennoch können die jahreszeitlichen Schwankungen zu Mangelerscheinungen führen. Menge und Vielfalt der aufgenommenen Nährstoffe nehmen ab, wenn die Gorillas vor allem Früchte verzehren; andererseits nehmen sie in der Zeit, in der sie sich von grünen Pflanzenteilen ernähren, weniger Energie und Vitamine auf. Dieser Nährstoffstress scheint sich auch auf ihr Mikrobiom und ihre Gesundheit auszuwirken.

Als standorttreue Tiere passen Gorillas ihre Aktivität, ihre Ernährung und ihre Wanderungen den jeweiligen Verhältnissen an. Sie müssen also wissen, welche Nahrung sie wo und wann im Lauf des Jahres finden können; frugivore Arten brauchen eine bessere räumlich-zeitliche Vorstellung von der Verteilung und Verfügbarkeit der Nahrungsquellen als blätter- und kräuteressende Arten. Dies zeigt sich auch an der Gehirnanatomie. Westliche Gorillas haben ein größeres Kleinhirn und einen größeren Hippocampus als Berggorillas - diese beiden Hirnareale steuern Bewegungen und die Verarbeitung und Speicherung räumlich-zeitlicher Informationen.

Wenn Gorillas vorwiegend Früchte essen, verbringen sie weniger Zeit mit der Nahrungsaufnahme und mehr Zeit mit Wanderungen. Die tägliche Weglänge erhöht sich dabei von durchschnittlich 1,7 km auf bis zu 9 km. Die Tiere müssen längere Strecken zurücklegen, um die verstreuten Bäume zu finden.

Dass sie sich zwischen den Orten der Nahrungsaufnahme geradlinig bewegen, spricht für eine vorausschauende Planung der Wanderungen. Diese Strategie erfordert eine gute Kommunikation innerhalb der Gruppe. Wenn Gorillas an einem Baum reichlich Früchte entdecken, äußern sie besondere Rufe, um die anderen Gruppenmitglieder zu informieren.

Unabhängig von der Art der Nahrung (Früchte oder junge Blätter) suchen Gorillas die einzelnen Bäume nur wenige Male im Jahr auf. Sie scheinen also in der Lage zu sein, die Nahrungsverfügbarkeit einzuschätzen. Wahrscheinlich verwenden sie dazu aktuelle Erfahrungen und eine Art botanisches Wissen über Bäume.

Da das Gedächtnis viel Energie verbraucht, merken sich die Gorillas vermutlich die Standorte von Nahrungsbäumen selektiv. So könnten sie während der Früchte-Saison besonders effizient auf Nahrungssuche gehen. Auch Bäume, an denen gerade die sehr proteinreichen jungen Blätter sprießen, könnten sie auf diese Weise finden. Obwohl krautige Nahrung das ganze Jahr verfügbar ist, wachsen die wichtigen Arten nur an bestimmten Stellen in größerer Menge; in diesen Fällen können die Tiere ebenfalls ihr räumliches Gedächtnis nutzen.

Westliche Flachlandgorillas ernähren sich auch von Wasserpflanzen, die viele Mineralien enthalten, und von den Früchten der Nauclea-Bäume. Diese kommen nur auf Lichtungen oder in Sümpfen vor. Außerdem bilden manche Baumarten, die eine wichtige Rolle in der Ernährung der Gorillas spielen, nur alle paar Jahre Früchte. Die Stellen, an denen solche Pflanzen wachsen, spielen für die Gorillas wahrscheinlich eine besondere Rolle, deshalb bleiben sie ihnen gut im Gedächtnis.

Die große Flexibilität in der Ernährung könnte für das Überleben der Westlichen Flachlandgorillas ein wichtiger Vorteil sein. Dank ihr kommen sie vermutlich besser mit unvorhersehbaren Umweltereignissen wie den globalen Klimaveränderungen zurecht.

Shelly Masi

Frugivore Tiere: Sie ernähren sich fast nur von Früchten. Westliche Flachlandgorillas sind (ebenso wie Schimpansen) nur teilweise frugivor, da sie auch grüne Pflanzenteile verzehren.