Artenschutz im Krisengebiet Kameruns

Kategorien: Ausgabe 61, Krieg, Kamerun, Takamanda, Cross-River-Gorillas

Eine Unterrichtsstunde des Bildungsprogramms (© AWP Kamerun)

Der Norwegische Flüchtlingsrat setzte dieses Jahr Kamerun auf Platz eins der vergessenen Krisen weltweit. In noch tieferem Dunkel, verborgen vor dem Blick der Öffentlichkeit, ist der Schutz des Cross-River-Gorillas in diesem Land.

Kameruns Unruhen begannen im Herbst 2016. Der englischsprachige Westen des Landes ist ärmer als die französischsprachige Region. Das konnte ich an den Straßen sehen. Trotz vieler Versprechen der Regierung wurden hier wichtige Wege nicht gebaut oder befahrbar gehalten. Wer die maroden Straßen nutzte, musste aber trotzdem die übliche Maut an den Staat zahlen. Kamerun ist zweisprachig, alle Kinder lernen in der Schule Englisch und Französisch. Auch in den Kirchen wird abwechseln in beiden Sprachen gepredigt.

Die offizielle Amtssprache Englisch wurde jedoch dadurch herabgesetzt, dass die französischsprachigen Gerichte in der Hauptstadt englische Anträge "fehlerhaft" übersetzten und so für Niederlagen bei Streitfällen sorgten. Als die Behörden dann in den Schulen fehlende Stellen für Englischlehrer mit Französischlehrern auffüllten, reichte es der anglophonen Bevölkerung und sie ging auf die Straße.

Die Proteste waren weitgehend friedlich, jedoch reagierte der Staat mit Härte. Er schaltete das Internet in der Region ab und schickte das Militär, um die Proteste gewaltsam zu beenden. Wortführer wurden verhaftet. Dazu drangen Regierungstruppen in Häuser ein. Als dann von Vergewaltigungen die Rede war, reagierte die anglophone Bevölkerung mit sogenannten "Ghost Towns". Dabei schließen die Städte für einige Tage in der Woche alle Märkte und Geschäfte. Weil das Militär auf lokale Verpflegung angewiesen ist, hoffen sie so die als Besatzung empfundenen Soldaten am Bleiben zu hindern. Auch dieser Protest ist friedlich.

Die verhärtete Situation stachelte jedoch die tot geglaubte Separationsbewegung wieder an. Sie will ein unabhängiges anglophones "Ambazonien". Dazu sollte man wissen: Kamerun wurde am 1. Januar 1960 gegründet, der Norden des britischen Mandatsgebiets stimmte für einen Anschluss an Nigeria. Dass der Süden für einen Anschluss an das französische Kamerun stimmte, wird von den Separatisten bezweifelt. Sie betrachten noch heute die Wahl als gefälscht. In der Folge gab es leider keine Aufklärung, sondern eine 20-jährige blutige Diktatur des Staatspräsidenten Ahidjo. Der ließ sich in seinem Regierungsstil von französischen Extremisten beraten.

Seit 1982 herrscht sein Nachfolger Biya mit autoritären Anti-Terror-Gesetzen bis heute über das Land. Statt die aufplatzende Wunde im Land zu heilen, vertiefte Biya nach fast 40 Jahren im Amt die Spaltung, sodass am 1. Oktober 2017 die Separatisten erneut die Unabhängigkeit ausriefen. Es ist unklar, wie viel Rückhalt sie wirklich in der Bevölkerung haben. Mittlerweile hat der Konflikt mehr als 3000 Todesopfer gefordert und 679 400 Binnenflüchtlinge in Kameruns Regionen Nordwest und Südwest. Bedwin Ngwasina zählt zu diesen Flüchtlingen. Sie erzählt, dass jeder, dem sie begegnet, inzwischen einen kennt, der durch den Krieg verletzt oder getötet wurde.

Bedwin leitet die afrikanische Artenschutzorganisation AWP. Sie setzt sich dafür ein, die Cross-River-Gorillas zu schützen. Diese leben im anglophonen Teil Kameruns, u. a. im Nationalpark Takamanda. Doch die dichten Wälder sind ebenfalls Rückzugsgebiet der Rebellen, weswegen das Gebiet zur Kampfzone erklärt wurde. Der WCS und der WWF haben sich bereits 2018 aus diesem Gebiet zurückgezogen. Der staatliche Parkleiter des Umweltministeriums, Egbe, ist geblieben. Doch musste ich mitansehen, wie immer mehr Morddrohungen der Separatisten kamen. Egbe konnte sein Büro nicht mehr nutzen, wechselte Telefone und Aufenthaltsort fast täglich. 2020 wurde er durch das Ministerium abgelöst.

Allein in die Nähe des Parks zu kommen ist für eine kleine Artenschutzorganisation nicht einfach. So kann die Straße zwischen Bafoussam und Bamenda nur mit einer bewaffneten Eskorte zu bestimmten Zeiten passiert werden. Die Kameruner AWP ist die einzige Artenschutzorganisation, die 2019 bis 2020 überhaupt Projekte dort weiterführt. Dabei begibt sie sich nicht nur in Gefahr, sondern muss auch noch einen politischen Spagat leisten. Einerseits muss sie die Vorgaben des staatlichen Umweltministeriums MINFOF beachten und auf der anderen Seite die Bedingungen der Rebellen, die im Zielgebiet das Sagen haben.

Der neue Parkleiter Nbi achtet streng darauf, dass nach Protokoll verfahren wird. Das bedeutet, jeder Informationsaustausch setzt eine persönliche Einladung voraus, bei der die Reisekosten und Gebühren der dazu geladenen Fachleute berechnet werden. Das kann schnell viele Hundert Euro kosten. Und jede NGO, die Takamanda betritt, muss zudem eine Begleitperson der MINFOF bezahlen. In der Umsetzung ist das nicht nur umständlich und teuer, sondern auch äußerst gefährlich. Als die AWP Kamerun im Oktober 2020 mit dem MINFOF-Ranger in Takamanda ankam, vermutete die Bevölkerung in Nfakwe einen Regierungsspion. Es kam zu Handgreiflichkeiten. Frau Ngwasina konnte zwischen den Rebellen und dem Staat verhandeln und rettete so dem Ranger das Leben. Der vermeintliche Beschützer der NGO musste daraufhin die Flucht antreten.

Man sollte annehmen, dass die MINFOF sich über derartiges Engagement einer NGO freut, doch befindet sich der Parkleiter in einer Zwickmühle. Von seinen eigenen Kontaktleuten in Nfakwe hat er die Information, dass die anglophone Bevölkerung seine Maßnahmen akzeptiert. Er selbst hat das Gebiet jedoch noch nie betreten und kann so nicht sagen, welcher Botschaft er mehr Glauben schenken soll. Und welche Wahrheit gefällt wohl seinen militärischen Vorgesetzten?

Der Schutz des Cross-River-Gorillas in Kamerun liegt heute in der Hand weniger Menschen. Dazu ist die Mithilfe die einheimischen anglophonen Anwohner unverzichtbar. Das geht nur, wenn man sich gegenseitig ins Gesicht schauen kann und vertraut. Doch Vertrauen ist ein rares Gut in Krisenzeiten.

Nach ihrem Besuch in Takamanda war Bedwin Ngwasina froh, dass ihr niemand von toten Gorillas berichtet hat. Dennoch ist die Jagd in den Wäldern intensiver geworden. Auch die illegale Abholzung nimmt zu. Bedwin hofft auf mehr Dialog, auf einen unkomplizierteren Informationsaustausch zwischen allen Beteiligten vor Ort. Sie wünscht sich ein langfristiges Engagement in der Region und nicht nur kurzfristige Maßnahmen, mit denen die Bevölkerung dann allein gelassen wird. Vor allem wünscht sie sich aber endlich Frieden für ihr Volk.

Yorick Niess

Im Einsatz für den Gorillaschutz

Gemeinsam mit der AWP Kamerun unterstützt die Berggorilla & Regenwald Direkthilfe zum Schutz der Cross-River-Gorillas zwei Projekte von Bedwin ­Ngwasina fachlich und finanziell.

Das mobile Klassenzimmer - Umweltbildung dort, wo sie dringend nötig ist. Frau Ngwasina trainiert lokale Klassenlehrer im Artenschutz und Umgang mit modernen Lehrmethoden. Diese mutigen Pädagogen reisen dann mit einem mobilen Klassenzimmer zu den Anwohnern der Gorillagebiete in die entlegenen artenreichen Hotspots. Dort unterrichten sie die indigenen Schulkinder im Alter von 7-18 Jahren, um ein friedliches Miteinander zwischen Mensch und Gorilla zu ermöglichen. Bei dem Projekt werden die Kinder individuell gefördert und die motorischen, sozialen, kognitiven und sprachlichen Kompetenzen gestärkt.
Das Projekt wurde 2017 vom Kameruner Ministerium für Bildung (MINEDAD) anerkannt und gemeinsam mit deutschen Fachkräften, dem WWF und WCS entwickelt. Heute ist es wichtiger denn je, da die Kinder bereits seit 3 Jahren unter einem Lockdown der Schulen leiden. Einige Mütter sind mit ihren Kindern in UNHCR-Flüchtlingslager nach Nigeria geflohen, damit sie dort die Schule besuchen.

Das Kakaoprojekt in Takamanda - Mensch und Gorilla beim Überleben helfen. Gorillaschutz geht nicht ohne die Hilfe der Anwohner. Doch wie dem Gorilla helfen, wenn man selbst kaum überlebt? Die Menschen in Takamanda sind von extremer Armut bedroht. Einige sind Flüchtlinge, die zurückgekehrt sind, um ihre Heimat aufzubauen. Ihre Existenzgrundlage ist dabei seit Generationen der Kakao.

Frau Ngwasina unterstützt die Farmer dabei, den Kakaoanbau umweltschonend zu optimieren, um so einen höheren Ertrag zu bekommen. Mit einfachen Mitteln, wie einem Solartrockner, können z.B. Ernteausfälle vermieden werden. Agrarexperten beraten die Farmer bei der Aufzucht von Setzlingen und Fachleute der Kakaobranche schulen sie beim Verständnis der gesamten Verwertungskette. So will das Projekt erreichen, dass die Kleinbauern sich nicht weiter verschulden und für ihren Kakao einen höheren Marktpreis erhalten, der sie aus der Armut befreit. Eine klare Botschaft für die Anwohner, dass ihr Engagement für den Gorillaschutz auch wirtschaftliche Vorteile mit sich bringt.
Das Vorhaben wurde im regionalen Aktionsplan für den Cross-River Gorilla vom WCS und der GIZ empfohlen.

Weiterführende Links
Artikel des Bistums Limburg
Brennpunkt Kamerun
Artikel der Katholischen Kirche
Artikel von Uwe Kekeritz
Artikel der ZEIT