Bedrohter Lebensraum

Kategorien: Ausgabe 63, Gefahren

Prognosen für die Gorilla-Verbreitungsgebiete - Best- und Worst-case-Scenario (range change: Änderung des Verbreitungsgebiets; gain: Zugewinn, loss: Verlust) (© Joana Carvalho et al.)

Den Schutz der biologischen Vielfalt in Einklang zu bringen mit den Bedürfnissen einer wachsenden Weltbevölkerung ist eine Herausforderung. Die tropischen Wälder beherbergen mindestens zwei Drittel der biologischen Vielfalt. Zwischen 2010 und 2015 nahmen die Waldflächen um 3 % ab, besonders stark in den Tropen, wo pro Jahr über 5 Millionen Hektar abgeholzt wurden. Allein in Afrika wurden zwischen 2010 und 2020 jährlich 3,9 Millionen Hektar Wald zerstört und vor allem in landwirtschaftliche Nutzflächen umgewandelt. Zudem ist der afrikanische Kontinent besonders bedroht von den Auswirkungen des Klimawandels. Dürren und Überschwemmungen werden die Ausbreitung der Landwirtschaft in feuchtere Tropenregionen fördern, also in den Lebensraum der Menschenaffen.

Bonobos, Schimpansen, Gorillas und Orang-Utans sind typische Arten tropischer Ökosysteme; von ihrem Schutz profitiert auch die gesamte Biodiversität dieser Wälder. Obwohl sich Menschenaffen an vom Menschen veränderte Lebensräume teilweise anpassen können, geht ihre Zahl jährlich um 2 bis 7 % zurück. Daher stehen sie auf der Roten Liste bedrohter Tierarten der IUCN in den Kategorien "stark gefährdet" oder sogar "vom Aussterben bedroht". Die großflächige Abholzung der Wälder und die industrielle Landwirtschaft tragen direkt zur Abnahme der Populationen bei, andere Faktoren wie das Wachstum der Weltbevölkerung und der steigende Pro-Kopf-Bedarf beeinflussen das Vorkommen der Menschenaffen indirekt. Auch der Klimawandel ist ein wichtiger Faktor, der die Bedrohungen verstärkt.

Wie der Klimawandel die Menschenaffenpopulationen in Afrika und ihre Lebensräume beeinflusst, ist noch wenig untersucht. Bestehende Schutzgebiete konnten die Biodiversität innerhalb ihrer Grenzen zwar bisher recht gut erhalten, aber auch sie werden vom Klimawandel nicht verschont bleiben. Und viele Menschenaffen leben außerhalb von Schutzgebieten.

Unsere Studie verwendet die A.P.E.S.-Datenbank zur Verbreitung von Menschenaffen der IUCN SSC (Species Survival Commission), um Synergieeffekte des Klimas, der Landnutzung und des Bevölkerungswachstums auf die Menschenaffenpopulationen und ihre Lebensräume zu bewerten. So haben wir eine Prognose für das Jahr 2050 in einem Best-case- und einem Worst-case-Szenario für nicht geschützte Gebiete und die gesamte Region erstellt.

Für beide Zukunftsszenarien ist eine massive Verkleinerung der Menschenaffen-Verbreitungsgebiete zu erwarten. Nur wenn es den Tieren gelingt, sich in neue geeignete Gebiete auszubreiten, ist mit einem geringen Zuwachs zu rechnen. Bei den Grauergorillas wird ein Verlust von drei Vierteln ihres jetzigen Verbreitungsgebiets befürchtet, ein Zuwachs wäre nur innerhalb der geschützten Gebiete möglich und nur im Best-case-Szenario. Bei den Westlichen Flachlandgorillas ist ein Verlust von mehr als der Hälfte des Gebiets zu erwarten, ein Zuwachs wäre hier in neuen, ungeschützten Gebieten möglich.

Unser Fazit: Bis 2050 wird ein massiver Rückgang des Lebensraums der Menschenaffen in Afrika erwartet. Ob es ihnen gelingen wird, sich in neue Gebiete auszubreiten, ist unsicher. Deshalb ist es sehr wichtig, die bestehenden Schutzgebiete zu erhalten und Verbindungen zwischen geeigneten Lebensräumen zu schaffen. Ein nachhaltiges Waldnutzungs-Management kann dazu beitragen, die Habitate vor der Zerstörung zu schützen. Generell müssen die Auswirkungen des Klimawandels bei den Schutzbemühungen stärker berücksichtigt werden. Ein Lebensstil, der dazu beiträgt, unsere CO2-Emissionen zu verringern, hilft die biologische Vielfalt zu erhalten.

Joana S. Carvalho, Bruce Graham, Fiona Maisels, Elizabeth A. Williamson, Serge Wich, Tenekwetche Sop und Hjalmar S. Kühl

Originalveröffentlichung:
Carvalho, J. S. et al. (2021): Predicting range shifts of African apes under global change scenarios. Diversity and Distributions 27 (9), 1663-1679