Langzeitstudien

Kategorien: Ausgabe 61, Spendenaufrufe, Gorillagruppen, Ökologie, Verhalten, Uganda, Bwindi, Berggorillas

Mukiza wird seit seiner Geburt im November 1999 kontinuierlich beobachtet. Diese Fotos zeigen ihn 2004, 2012 und 2018 - als Leiter der Mukiza-Gruppe. (© Martha M. Robbins/MPI-EVA)

Vor ein paar Jahren, nach rund 30 Jahren Gorillaforschung, fragte mich mein Vater, ob wir denn mittlerweile nicht genug über Gorillas wüssten. Im Grunde, dachte ich, ist die Frage berechtigt. Gorillas werden seit den 50er-Jahren intensiv untersucht, gibt es da noch etwas zu lernen? Die Antwort: Ja, Langzeitstudien sind aus vielen Gründen unverzichtbar.

So dauert es bei etlichen Forschungsthemen sehr lange, bis man genug Daten gesammelt hat; manche Fragestellungen bauen auf anderen auf und wieder andere können erst beantwortet werden, wenn neue Methoden zur Verfügung stehen. Bei gefährdeten Arten befassen sich außerdem sogenannte angewandte Themen mit den Auswirkungen des Artenschutz-Managements.

Mein Fachgebiet, die Verhaltensökologie, untersucht, wie sich Veränderungen der Umwelt auf das Verhalten auswirken. Bei sozial lebenden Arten kommen faszinierende Aspekte hinzu, etwa wie sich Ökologie, Verhalten, Lebenslauf und Populationsdynamik gegenseitig beeinflussen. Bei bedrohten Arten ist der menschliche (anthropogene) Einfluss besonders wichtig, vor allem wenn es darum geht, dessen Wirkung auf das Verhalten und die Populationsdynamik zu verstehen. Letztlich benötigen wir, um erfolgreich zu sein, ein evidenzbasiertes Artenschutz-Management, das auf wissenschaftlich begründeten Entscheidungen beruht und nicht auf Vermutungen.

Zu Beginn meiner Karriere stammte das meiste Wissen über Gorillas aus dem Karisoke-Forschungszentrum in Ruanda, das 1967 gegründet wurde. In anderen Regionen begann die Forschung in den 80er und 90er Jahren. Es wurde bald deutlich, dass man die Erkenntnisse aus den Virunga-Vulkanen, einem extremen Habitat, nicht einfach auf andere Gorillapopulationen übertragen konnte. Tatsächlich gibt es bereits zwischen den Virunga- und den Bwindi-Berggorillas etliche Unterschiede, obwohl sie nur 30 km entfernt voneinander leben. Dies zeigt den starken Einfluss der Umweltbedingungen.

So spielt das Nahrungsangebot eine zentrale Rolle. Früchte sind in Bwindi sehr begehrt und die Konkurrenz ist ausgeprägter als bei anderen Nahrungsquellen. In Bwindi wenden die Gorillas 15 % der Zeit ihrer Nahrungsaufnahme für Früchte auf, viel mehr als Virunga-Gorillas, aber deutlich weniger als Westliche Flachlandgorillas, die sich rund 30 % ihrer Zeit auf Früchte konzentrieren. Einige Früchte sind nur in manchen Jahren verfügbar. Durch den Klimawandel könnte sich das Nahrungsangebot allerdings entscheidend verändern. Wir müssen langsame Veränderungen aufmerksam verfolgen, um zu verstehen, wie sich die Tiere anpassen. Ohne Langzeitstudien kann das nicht gelingen.

Die Umwelt beeinflusst auch die Populationsdynamik. So ergaben Langzeituntersuchungen im Bwindi-Wald, dass bei Weibchen im Schnitt 5 Jahre zwischen den Geburten vergehen, bei Virunga-Gorillas sind es nur 4 Jahre. Wir versuchen noch zu verstehen, woran dies liegt. Bei den langsamen Reproduktionsraten und der langen Lebensdauer braucht man aber Jahrzehnte, um genügend Daten für eine Auswertung zusammenzutragen. Ohne diese Daten lassen sich auch die Faktoren, die den Fortpflanzungserfolg männlicher Gorillas beeinflussen, kaum nachvollziehen.

Mehr als 20 Jahre Forschung in Bwindi haben gezeigt, dass diese Gorillapopulation einzigartig ist und geschützt werden muss. Das Bwindi-Gorillaprojekt sollte weitergeführt werden, um unser Wissen über Gorillas zu erweitern, aber auch, um zu ihrem Schutz beizutragen.

Martha M. Robbins

In vier habituierten Gruppen haben wir seit 1992 Daten von mittlerweile 350 Gorillas erfasst. Wir dokumentieren Geburten, die körperliche Entwicklung, Entwöhnung, Geschlechtsreife, Ernährungsmuster, soziales Verhalten, Todesfälle und Gruppenzusammensetzungen. Verhalten kann auch erlernt und weitergegeben werden. So haben die Bwindi-Gorillas die Gewohnheit, beim Klettern leicht in die Bäume zu beißen. Das wurde bisher bei keiner anderen Population beobachtet. Wir wollen das soziale Miteinander in den Gruppen verstehen, Neues über das Verhalten der Tiere erfahren und die Auswirkungen des Tourismus besser einschätzen.

Unterstützung für die Forschung

Die Arbeitsgruppe von Martha Robbins hat im Gorilla-Journal immer wieder Forschungsergebnisse vorgestellt, doch es gibt noch weit mehr zu entdecken!

Nach der Pensionierung ihres Direktors und während der Suche nach einem neuen Direktor erlebt die Abteilung für Primatologie des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie eine Phase der Umbildung. Eine Folge davon ist eine erhebliche Kürzung der Mittel für die Forschungsprojekte der Abteilung 2021. Um die Langzeitforschung im Freiland fortzuführen - an Berggorillas im Bwindi-Impenetrable-Nationalpark und an Westlichen Gorillas im Loango-Nationalpark, Gabun - werden zusätzliche Gelder aus anderen Quellen gebraucht. Die Forschung in beiden Gebieten trägt nicht nur dazu bei, dass wir Gorillas besser verstehen, sondern auch dazu, dass wir sie besser schützen können.

Wir möchten Martha Robbins und ihrer Arbeitsgruppe helfen, die Langzeitstudien fortzuführen. Mit Ihrer Spende können Sie dazu beitragen. Bitte geben Sie als Stichwort "MPI" an.

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Berggorilla & Regenwald Direkthilfe
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