Cyril Grüter: Ruanda 2000

Kategorien: Ausgabe 22, Reiseberichte, Ruanda, Vulkan-Nationalpark, Berggorillas

Blick auf die Virunga-Vulkan (© Cyril Grüter)

Blick auf die Virunga-Vulkan (© Cyril Grüter)

Während meines dreitägigen Aufenthaltes im nordwestlichen Teil Ruandas Anfang Mai 2000 habe ich ein paar Eindrücke von der aktuellen Situation im Parc National des Volcans bekommen, welche ich im folgenden zusammenfasse. Die Anmeldung für ein Gorilla-Trekking zu einer der 4 an Touristen habituierten Gruppen erfolgt im Büro des ORTPN (Office Rwandais du Tourisme et des Parcs Nationaux) in Kigali oder in Ruhengeri. Welche Gruppe aufgesucht wird, entscheidet sich unter Umständen erst am Tag des Trekkings im ORTPN-Büro in Ruhengeri. Die Touristen werden nach wie vor von bewaffneten Soldaten begleitet, deren Zahl aber massiv reduziert wurde. Maximal 32 Touristen sind pro Tag im Park zugelassen, die effektive Besucherzahl liegt momentan aber weit unter diesem Wert. Unter den Besuchern findet man auch Gruppen von Einheimischen, die "nur" 10 US-$ für ein Permit bezahlen müssen (für Ausländer kostet es 250 US-$). Ich hatte die Gelegenheit, den Gorilla-Familien Suza und Amahoro einen Besuch abzustatten. Bei der Suza-Gruppe war ich der einzige Besucher, bei Amahoro waren wir zu dritt. Die Suza-Gruppe wurde schon in den 80er-Jahren an die Anwesenheit von Touristen gewöhnt. Sie verhielt sich relativ ruhig und liess sich durch die Besucherpräsenz kaum stören. Die kleinere Amahoro-Gruppe konnten die Wildhüter über Funkkontakt in einer Waldlichtung nahe der Parkgrenze am Fuß des Mt. Visoke lokalisieren. Hier ist der Park relativ schmal und die Grenze zum Virunga-Park (in dem jegliche touristische Aktivität immer noch auf Eis gelegt ist) nicht weit. Der Habituierung der Amahoro-Gruppe begann 1996, konnte aufgrund der Bürgerkriegswirren jedoch erst 1999 abgeschlossen werden. Erschwerend kam hinzu, dass die Amahoro-Gruppe schon 4 Menschen angegriffen hatte. Mittlerweile konnte diese Aggressivität eingedämmt werden, aber eine gewisse Scheu gegenüber Besuchern ist immer noch zu spüren. Der Gewöhnungsprozess wurde übrigens erstmals von einem Ruander und nicht von einem Ausländer übernommen. Das Park-Büro in Ruhengeri ist sehr spartanisch ausgestattet und auch die Wildhüter wären auf mehr Ausrüstungsgegenstände angewiesen. Wildhüter und Guides machen einen motivierten Eindruck, sie nehmen ihre Arbeit ernst, fühlen sich für die Tiere verantwortlich, haben grossen Respekt vor ihnen und halten sich im grossen und ganzen an die Parkvorschriften. Lediglich der postulierte Minimalabstand von 7 Metern zwischen Mensch und Gorilla wurde nicht eingehalten. Die maximale Aufenthaltszeit von 1 Stunde wurde nicht überschritten.

Der Transfer von Kigali nach Ruhengeri auf einer exzellenten Asphaltstrasse und die Weiterfahrt nach Kinigi (für AMAHORO) respektive Gashiya (für SUZA) zum Ausgangspunkt des Aufstiegs wurde von VOLCANOES SAFARIS mit Sitz in Kampala und London organisiert. Auch Reiseveranstalter in Kigali (z.B. RWANDA TOURS) sind meines Wissens mittlerweile wieder in der Lage, Touren zum PNV zu arrangieren. Ich habe in Kigali im Hôtel des Mille Collines übernachtet, von einer Unterbringung in Ruhengeri (z.B. Hôtel Muhabura) oder Gisenyi (z.B. Hôtel Izuba-Méridien) muss aber trotz der Nähe zur Grenze zur DRC nicht mehr generell abgeraten werden. Das Ruanda-Visum für Schweizer Staatsbürger kann für 40 US$ z.B. bei der Botschaft in Nairobi bezogen werden (Bearbeitungszeit: 24 Stunden). Gute Flugverbindungen zwischen Nairobi und Kigali offeriert ALLIANCE EXPRESS mit Sitz in Nairobi.
Jedem interessierten Besucher des Vulkan-Nationalparks sei aber angeraten, sich vor der Abreise über die aktuellen politischen Geschehnisse mit Hilfe der lokalen Medien zu informieren oder allenfalls bei der Botschaft anzufragen, weil sowohl das EDA (Eidgenössisches Departement für Auswärtige Angelegenheiten in der Schweiz) als auch das Deutsche Auswärtige Amt immer noch vor Reisen nach Nordwest-Ruanda (Präfekturen Ruhengeri und Gisenyi) warnen und weil niemand die zukünftigen Vorkomnisse in der Grenzregion von Ruanda und Uganda zum Kongo genau vorhersagen kann. Während meines ganzen Ruanda-Aufenthaltes
widerfuhren uns keinerlei Probleme, wir mussten lediglich zwei problemlose Militärkontrollen an der Strasse Kigali-Ruhengeri über uns ergehen lassen.
Jeder Reisende sollte sich allerdings der politischen und sozio-ökonomischen Misere, die in Ruanda herrscht, bewusst sein. Kürzlich wurde in einer ostafrikanischen Zeitung ein Artikel veröffentlicht, in dem ein ruandischer Bischof die erschreckend hohe Zahl von Massenvergewaltigungen in den letzten Monaten im ganzen Land verurteilt und auf die (auch für afrikanische Verhältnisse) sehr schnell wachsende AIDS-Infektionsrate hinweist. Als Gründe für diese Vergehen werden unter anderem Verlust von Wertvorstellungen und Zerreissen von Familienbanden als Folge des Genozids im Jahre 1994 angeführt.
Ueber den Völkermord wird im Umfeld des Nationalparks kaum gesprochen, obwohl deren Verarbeitung noch lange nicht abgeschlossen ist. Und vielen Leuten stehen die tragischen Ereignisse immer noch ins Gesicht geschrieben. Andererseits sah ich Menschen am Rande des Parks, die sich auf ihren Feldern versammelten und mit grosser Freude im Chor sangen und Frauen, die mit ihrer Ernte zum Markt pilgerten und Kinder, die jedem "Muzungu" mit einem strahlenden Lächeln zuwinkten. Es gibt also Lichtblicke für die Menschen in Ruanda und für unsere Verwandten in den Nebelwäldern der Virungas.

Cyril Grüter