Die Batwa und Kahuzi-Biega
Kategorien: Ausgabe 71, Regenwald, Abbau von Bodenschätzen, Konflikte, D. R. Kongo, Kahuzi-Biega, Grauergorillas

Baumverlust (kumuliert) in den drei untersuchten Gebieten Area 1, 2 und 3 des Kahuzi-Biega-Nationalparks zwischen 2014 und 2022. Area 1: von Batwa besiedelt ab Oktober 2018 bis heute; Area 2: von Batwa besiedelt Oktober 2018 bis September 2019; Area 3: nicht von Batw besiedelt. (© Simpson et al. 2024 nach Hansen et al. 2010-2022)
Welche Rolle spielen indigene Gemeinschaften im Naturschutz - sind sie Zerstörer oder Bewahrer? Am Beispiel der Batwa im Osten der Demokratischen Republik Kongo zeigt sich, dass solche Sichtweisen zu pauschal sind. Sie blenden die strukturellen Ursachen ökologischer Veränderungen aus und reduzieren komplexe Verhältnisse auf einfache Schuldzuweisungen.
Die Batwa, ein indigenes Volk, wurden in den 1970er-Jahren bei der Gründung des Kahuzi-Biega-Nationalparks von ihrem angestammten Land vertrieben. Ohne Landrechte, Gesundheitsversorgung und Bildung lebten sie danach jahrzehntelang in Armut außerhalb des Parks. Wo Entschädigungen gezahlt wurden, profitierten vor allem lokale Eliten. 2018 kehrten einige Batwa in den Park zurück und besetzten Teile des Hochlandsektors, errichteten Dörfer mit Schulen und Kirchen und legten Felder an. Die Parkverwaltung und die Armee reagierten mit militärischer Gewalt, während internationale Organisationen, die die Rechte indigener Völker vertreten, die Rückkehr als Akt der Selbstbestimmung begrüßten.
Wir wollten wissen, wie sich die Anwesenheit der Batwa auf den Park auswirkte, vor allem auf den Wald. Dazu analysierten wir Satellitendaten, führten Interviews durch und sprachen mit Menschen innerhalb und außerhalb des Hochlandsektors - dazu gehörten Batwa, andere ethnische Gruppen, lokale Chefs, Bauern, Holz- und Holzkohlehändler, Rebellen, Wildhüter und Soldaten.
Satellitendaten belegen, dass bis 2018 in den Gebieten, die die Batwa für ihre Rückkehr wählten, nur wenig Wald verlorengegangen war. Die Abholzung stieg jedoch ab 2019 - nach der Rückkehr der Batwa - stark an. In den zwei von uns untersuchten Gebieten mit Batwa-Siedlungen verschwanden zwischen 2019 und 2022 über 2100 Hektar Wald, in einem Kontrollgebiet ohne Batwa dagegen nur 22 Hektar. Zerstören die Siedler also den Wald, statt ihn zu schützen? Wenn man diese Zahlen sieht, scheint klar, dass ihre Präsenz die Entwaldung deutlich beschleunigt. Doch so einfach ist es nicht.
Nach ihrer Rückkehr in den Park nutzten viele Batwa die wirtschaftlichen Möglichkeiten, die sich aus der hohen Nachfrage nach Holzkohle, Holz und Mineralien in den Städten Goma und Bukavu ergaben. Mehrere ihrer Chefs übernahmen eine wesentliche Rolle im Handel mit Parkressourcen und setzten sich dabei teilweise mit Gewalt durch. Sie verkauften Zutrittsrechte zum Park an Menschen, die dessen Ressourcen ausbeuteten, oder arbeiteten mit bewaffneten Gruppen, Militärs und Behördenvertretern zusammen. Auch staatliche Stellen und hochrangige Offiziere profitierten - etwa durch illegalen Goldabbau.
Einige Batwa-Gruppen griffen auch zu Gewalt, um ihre Position zu sichern. 2019 überfielen bewaffnete Batwa mit mutmaßlicher Unterstützung der Miliz Mai-Mai Cisayura den Patrouillenposten Lemera; ein Wildhüter wurde dabei getötet. Nach dem Rückzug des ICCN von diesem Posten konnten Holz und Holzkohle ungehindert gehandelt werden.
Die Beziehungen zwischen Batwa und bewaffneten Gruppen blieben widersprüchlich. Mal arbeiteten sie zusammen, mal wurden Batwa Opfer von Übergriffen. 2024 tötete eine Miliz einen Batwa-Mann und verletzte sechs weitere Dorfbewohner. Der Konflikt um den Park ist damit Teil eines umfassenden Systems von Gewalt, Ausbeutung und Unzulänglichkeit des Staates.
Die Batwa sind also beim Handel mit Parkressourcen nur ein relativ kleines Glied in der Kette zahlreicher Beteiligter. Einfache moralische Kategorien - "Waldzerstörer" oder "Waldschützer" - werden der Realität nicht gerecht. Die Batwa sind weder reine Opfer noch reine Täter, sondern ein Teil komplexer ökonomischer und politischer Strukturen. Sie leben in einem Umfeld, das von Armut, Ausbeutung und konkurrierenden Interessen geprägt ist, und handeln im Spannungsfeld von Naturschutz, Staat, Gewalt und Markt. Dieses Handeln folgt weniger ökologischen Prinzipien als Überlebensstrategien in einem von Rohstoff-Ausbeutung dominierten System. Gleichzeitig sind sie selbst Opfer dieser Strukturen, die sie zu Akteuren machen, ohne ihnen wirkliche Macht zu verleihen.
Originalveröffentlichung:
Simpson, F. O., Titeca, K., Pellegrini, L., Muller, T. & Dubois, M. M. (2024): Indigenous forest destroyers or guardians? The indigenous Batwa and their ancestral forests in Kahuzi-Biega National Park, DRC. World Development 186, 106818